Die Herstellung eines Rockes

 

Eigentlich ist es egal, ob man einen Unter-Unterrock macht, eine Jupe zu einer Robe (egal ob Anglaise oder Française) oder einen Oberrock zu einer Jacke: Die Methode ist immer die gleiche, und der Unterschied zu einem normalen "Bauernrock" ist auch der gleiche: Alle diese Röcke werden über Unterbauten getragen, und deshalb können sie nicht rundherum gleich lang sein. Röcke, die über extrem breite Paniers passen müssen, sind etwas spezieller und werden bei der Anleitung für die Contouche abgehandelt.

Der Rock ist ziemlich simpel: Ein Rechteck, zu einer Röhre genäht, obenrum in Falten gelegt und an ein Taillenband gesetzt. Kompliziert wird es erst dadurch, daß der Rock über einem Unterbau getragen wird, der dazu führt, daß die Länge von der Taille zum Saum nicht rundherum gleich ist. Anders als heute wird dieser Unterschied nicht beim fertigen Rock am Saum abgesteckt, sondern vorher berechnet und an der Oberkante weggenommen. Komplex wird es dadurch, daß es verschiedene Arten und Größen von Rockunterbauten gibt. Die Anpassung an einen Unterbau bedeutet auch, daß 1. der Unterbau zuerst fertig sein muß und 2. ein Rock strenggenommen nur über genau einem Unterbau getragen werden kann.

Wer einen Unter-Unterrock machen will, der kurz genug ist, daß man ihn nie sehen wird, kann auch alles das, was den Längenausgleich betrifft, einfach übergehen.

Stoffverbrauch

Der Stoffverbrauch ergibt sich einerseits aus Deiner Körpergröße und dem Unterbau (=Rocklänge), und andererseits aus dem nötigen Umfang, der wiederum von Deinem Umfang und vom Unterbau abhängt (=Rockumfang). Die Höhe einer Stoffbahn ist die maximale Rocklänge von der Taille bis zum Saum, über das Panier (oder Poschen, Weiberspeck, Pokissen) hinweg gemessen.

Betrachten wir zuerst die Rocklänge:

Skizze: Minimale und maximale Rocklänge

Wie man die minimale und maximale Rocklänge bei einem schmalen bzw. sehr breiten Panier abnimmt. Die minimale Rocklänge ist der Abstand von der Taille bis zum Saum in der vorderen Mitte. Trägt man Poschen oder ein schmales Panier, wird die maximale Rocklänge seitlich über die Poschen hinweg gemessen (Bild oben). Bei einem Pokissen wird die maximale Rocklänge in der hinteren Mitte über das Kissen hinweg gemessen. Das untere Bild zeigt, daß es bei sehr breiten Paniers auch eine mittlere Länge gibt (anders als in der vorderen Mitte muß sich der Stoff hier um die Panier-Oberkante herumbiegen), während die Maximallänge nicht bis zur Taille geht, sondern nur bis auf Taillenhöhe.

 

Nun zur Rockweite: Egal ob der Rock über einem Pokissen getragen wird, über Poschen oder über einem schmalen Panier: 3 Meter ist die Standardweite, d.h. bei der heutigen Standard-Stoffbreite von 150 cm braucht man mindestens zweimal die maximale Rocklänge an Stoff. Davon kann man jederzeit nach oben abweichen, besonders wenn

Gesteppter Rock, Mitte 18. Jh.

(c) Metropolitan Museum of Art, 11.60.220

Abweichungen nach unten sind selbst bei sehr schmalen und kleinen Personen nicht allzu sinnvoll, weil mehr einfach besser aussieht.

Bei den heute üblichen Stoffbreiten von 150 cm empfiehlt es sich, möglichst bei 3 m Weite zu bleiben, weil man dann die Taschenschlitze einfach so machen kann, daß man die Seitennähte oben offen läßt. Außerdem braucht man dann nur zweimal die maximale Rocklänge plus Zugaben, d.h. 210 bis 250 cm Stoff. Braucht man bei 150 breitem Stoff etwas mehr Weite, z.B. 350 cm, dann braucht man bei Stoff ohne Muster oder Strichrichtung 0,5 m mehr (die zusätzliche Bahn wird dann quer aus dem Stoff geschnitten), bei Muster/Strich um einmal die maximale Rocklänge mehr - allerdings mit ca. 1m² Verschnitt. In so einem Fall wäre zu überlegen, den Rock gleich noch ein bißchen (!) weiter zu machen. Das wäre aber nur sinnvoll, wenn der Stoff nicht allzu schwer ist; auch bei sehr schlanken Personen könnte es problematisch werden, diese Weite ins Taillenband zu falten. Gleich auf 450 cm Rockweite zu gehen wäre in den seltensten Fällen ratsam.

Bei 350 cm Rockweite bei 150 cm breiten Bahnen wird die vordere Bahn von 150 cm Breite in weniger (bzw. weniger tiefe) Falten gelegt als die hintere von 150+50 cm Breite, so daß sich trotzdem in die Naht integrierte Taschenschlitze an der Seite ergäben. Dadurch hat der Rock hinten mehr Weite als vorn, was für ein Pokissen in jedem Fall sinnvoll ist, aber auch ohne Pokissen ist es meist vorteilhaft. Bei einem einem Rock, der unter eine Robe getragen werden soll, kann man auch die fehlenden 0,5 m (oder mehr) hintenrum aus einem billigeren Stoff machen. Das wäre ein sogenannter Mogelrock, wie er sogar im Nachlaß von Madame de Pompadour auftauchte³: Ein Rock, der unter einer Robe getragen wird, wird aus billigem Stoff gemacht und nur vorn, wo er sichtbar ist, mit Oberstoff belegt. Ich empfehle, bei einem Mogelrock auch die unteren 30-50 cm mit Oberstoff zu belegen, falls Du den Rock retroussé dans les poches (durch die Taschenschlitze gerafft) tragen willst oder um bei Wind Peinlichkeiten zu vermeiden.

Ist die Stoffbreite eine andere als 150 cm, ist das Spiel wieder offen. Bei 90-115 cm Breite z.B. muß man überlegen, ob 90 bzw. 115 cm für die maximale Rocklänge reichen, so daß man den Stoff quer nehmen kann (d.h. Stoffbahnlänge=Rockweite, geht nur bei einfarbigem Stoff), ansonsten muß man versuchen, die weite von 3 Metern aus Vielfachen von 90cm (bzw. 115 cm) zu erreichen. also z.B. 3 x 0,9 = 2,7 (zu wenig, außer vielleicht für sehr schmale, kleine Personen) oder 4 x 0,9 = 3,6 (reichlich, aber v.a. bei leichten, steifen Stoffen wie Taft nicht zu viel). Bei einer Stoffbreite von 90 cm müßte man also 4x maximale Rocklänge rechnen.

Methode

Wir betrachten zuerst den Fall, daß der Rock über einem kleinen Panier oder Poschen getragen wird, d.h. der Rock muß seitlich länger sein als vorn und hinten. Den Fall eines nur hinten ausstellenden Pokissens betrachten wir weiter unten. Lies aber ruhig weiter, denn einiges von dem, was jetzt kommt, gilt auch für diesen Fall. Die Mulde wird nur woanders gemacht.

Normalerweise näht man die Rockbahnen erstmal zusammen, damit man den Saum in einem Rutsch rundherum versäubern kann. Den Längenunterschied zwischen maximaler und minimaler Rocklänge gleicht man, wie gesagt, am oberen Rockrand aus und läßt den Saum fadengerade. Es ist damit nicht garantiert, daß der Saum wirklich gleichmäßig weit vom Boden entfernt hängt, und das ist vielleicht auch der Grund, warum man es ab dem 19. Jh. anders machte: Anscheinend waren kleine Ungleichmäßigkeiten im 18. Jh. nicht so schlimm wie im 19. Das ist gar nicht so überraschend, wenn man einmal darüber nachdenkt: Eine gleichmäßige Rocklänge ist nur wichtig, wenn es schick sein soll, und wenn es schick sein sollte, trug man den Rock meist über einer Robe, die nur einen schmalen Teil vorne sehen ließ. Etwaige Ungleichmäßigkeiten seitlich und hinten sieht dann niemand mehr. Auch waren Röcke, anders als im späteren 19. Jh., eben nicht fast bodenlang, wie man immer meint, sondern endeten 10-20 cm über dem Boden, bei einfachem Volk (z.B. im Altenburger Land4;) auch mal bei der Mitte der Wade. Bei so großem Abstand fallen Ungenauigkeiten weniger auf.

Es ist aber für das Verständnis der Methode einfacher, zuerst zu erklären, wie man den Längenausgleich mit Hilfe einer Mulde in der oberen Rockkante macht, und zwar in der vorderen und hinteren Rockbahn jeweils getrennt. Wenn nämlich die vordere Rockbahn schmaler ist als die hintere, kann man nicht einfach die gleiche Mulde in beide Bahnen machen: Sie muß in der hinteren Bahn breiter sein. Flacher auch, weil die Rundung des Pos eine etwas größere Rocklänge erfordert - genau wie bei modernen Röcken.

Es ist also sinnvoll, zunächst die vordere und die hintere Bahn getrennt zu betrachten. Falls diese aus mehreren Teilen zusammengesetzt sind (z.B. aus zwei Teilen vorn und drei hinten), dann nähe sie zunächst zusammen, so daß Vorder- und Hinterbahn je ein Stoffstück sind.

Für den allerersten Rock könnte es hilfreich sein, die Mulde zuerst auf einer Papierschablone aufzumalen, die dann ausgeschnitten und auf den Rock gelegt wird. Es reicht ein Streifen, der etwas breiter ist als die Differenz zwischen maximaler und minimaler Rocklänge (also 20-25 cm) und so lang wie die Rockbahn breit ist. Auf diese Weise kann man Hilfsmarkierungen anbringen und sich im Zeichnen einer glatten Kurve üben, ohne gleich den Stoff vollzumalen. Außerdem kann man dann diejenige Hälfte der Mulde, die besser geraten ist, auf die andere Seite spiegeln, so daß rechts und links symmetrisch sind. Wer oft mit gleichen Rockweiten (genauer gesagt: Bahnbreiten, typischerweise 150 cm) arbeitet, kann die Schablone obendrein wiederverwenden.

Nimm die Vorderbahn und falte sie so zusammen, daß die Seitennaht-Kanten aufeinander zu liegen kommen, linke Seite nach außen. Der Faltenbruch liegt nun in der Mitte der Bahn. Markiere die Mitte mit Stecknadel, Schneiderkreide o.ä. 2-3 cm unterhalb der Oberkante. Falte die Bahn wieder auseinander und falte nun eine Seitenkante zur markierten Mitte hin. Jetzt liegt der Faltenbruch auf einem Viertel der Bahn-Breite. Markiere diesen Punkt, wieder etwas unterhalb der Kante. Mach das gleiche noch einmal mit der anderen Seitenkante.

Du hast nun drei Markierungen, jeweils in einem Abstand von 1/4 Bahnbreite. Die Mulde wird vom 1/4-Punkt zum 3/4-Punkt reichen und so tief sein wie die Differenz zwischen maximaler und minimaler Rocklänge. (Interessanterweise sind das bei Poschen wie bei bei kleinen Paniers oder Pokissen meistens 12-13 cm.) Miß am mittleren Punkt diese Differenz senkrecht nach unten ab und mach dort noch eine Markierung. Die hintere Rockbahn wird ebenso behandelt, nur daß die Markierung für die Muldentiefe 2 cm höher liegen sollte, damit der Rock in der hinteren Mitte später etwas länger ist. Diese Markierungen sollten alle auf der linken Seite des Stoffes sein.

Verbinde nun die Markierung bei 1/4 mit der mittleren (der für die Muldentiefe), und weiter bis 3/4. Es sollte eine glatte Kurve ohne Knicke sein. Am besten machst Du zuerst einen waagerechten Strich durch den mittleren Punkt, und durch die beiden äußeren Punkte jeweils einen, der in spitzem Winkel auf die Oberkante zuläuft. Die verbindest Du dann, von der Mitte ausgehend, indem du zuerst ein bißchen waagerecht zeichnest, dann immer steiler und steiler nach oben, und wenn es auf den Strich an der äußeren Markierung zugeht, gleichst Du die Steigung allmählich an die des Strichs an, dann allmählich an die Waagerechte der Oberkante. Dieser flach auslaufende Teil darf gern ein wenig über die äußere Markierung hinausgehen. (Übrigens sind alle diese Skizzen nur mal eben freihändig hingeworfen; die Tiefe der Mulde ist stark übertrieben und sollte nicht als Maß genommen werden!)

Wenn Du Dir das freihändige Zeichnen noch nicht so recht zutraust, mach lieber eine Papierschablone. Hier kannst Du nämlich auf halber Strecke einen Hilfspunkt malen, den die Linie in einem Winkel von 45° durchschneiden muß. Zu diesem Behufe malst Du zwei Rechtecke, die aus der Oberkante der Rockbahn bestehen, der Senkrechten entlang der Vorderen Mitte, den Senkrechten unter dem 1/4- bzw. 3/4-Punkt, und der Waagerechten durch den tiefsten Punkt der Mulde. Verbindest Du nun die Ecken dieser Rechtecke kreuzweise diagonal miteinander (in der Skizze unten in das rechte Rechteck eingezeichnet), markiert der Punkt, wo sich die Diagonalen kreuzen, den Punkt, wo die Linie 45° Steigung haben muß. Auch die Diagonalen selbst (in der Skizze ins linke Rechteck eingemalt) sind beim Zeichnen hilfreich.

So, nun ist die Mulde aufgemalt. Für das, was als nächstes kommt, gibt es zwei verschiedene Methoden.

Die eine ist, den überflüssigen Stoff der Mulde wegzuschneiden. Der Nachteil ist, daß man nicht mehr korrigieren kann, falls man zuviel weggeschnitten hat. Diese Methode mag bei einigen erhaltenen Röcken angewendet worden sein (bei einigen Schnitten bei Janet Arnold sieht es so aus), aber ich kann nicht glauben, daß sie typisch fürs 18. Jh. ist. Wenn man nämlich Kleidungsstücke v.a. des frühen 18. Jh. betrachtet (v.a. Manteau, Française und englische Mantua), fällt es auf, daß man möglichst wenig geschnitten, sondern lieber gefaltet hat, als ob man gleich daran dachte, daß man das Gewand später mal umarbeiten würde, was bei möglichst großen, unverschnittenen Stoffteilen natürlich einfacher ist. Auffälligerweise sind oft die Roben erhalten, die zugehörigen Röcke aber nicht.

Ich stelle daher lieber eine Methode vor, die den Stoff weitgehend unversehrt läßt: Der Stoff wird einfach entlang der markierten Linie weggeknickt.

An der Markierung in der vorderen bzw. hinteren Mitte klappt man den Stoff ab Höhe der Markierung nach innen um - da die Markierungen alle auf der linken Stoffseite sind, klappst Du den Stoff also zu Dir hin. Steck ihn knapp unterhalb des Knicks fest, und zwar so, daß die Nadeln senkrecht zur Kante liegen. Das erleichtert es, wenn Du die Kante nun festheftest. Ich bin selber sehr heft-faul, aber in diesem Fall ist es wirklich sinnvoll, denn als nächstes wird die Kante totgebügelt und dann in Falten gelegt - die Nadeln würden dabei bestenfalls stören, schlimmstenfalls stechen und/oder nach und nach ausfallen.

Wenn der Stoff recht dick oder steif ist, kann es sein, daß der Rock obenrum wegen des weggefalteten Stoffs nicht so schön liegt: Die ehemalige Oberkante wird zur Unterkante des weggefalteten Teils und ist somit kürzer als die Kurve der Mulde, und erst recht kürzer als die äußere Stoffschicht. In einem Museum habe ich mal einen auseinandergenommenen Rock gesehen - es war ein rechteckiges Stück Stoff mit zwei senkrechten Schlitzen beiderseits der vorderen und hinteren Mitte sowie Knickfalten, die von den Enden der Schlitze schräg aufwärts liefen. Anfangs konnte ich damit noch nichts anfangen, weil ich bis dahin nur die Variante der weggeschnittenen Mulden kannte, aber meine Grübelei darüber mündete schließlich in der oben vorgestellten Wegfalt-Methode. Diese beiden Schitze und die schrägen Knicke ergeben nämlich am ehesten einen Sinn, wenn man dadurch eine Mulde ohne verknuddelten Stoff erreichen wollte, ohne gleich den kostbaren Stoff (es war Silbernstoff) komplett zu verschneiden. Wenn man die Einschnitte nicht so lang macht, daß sie bis an die Mulden-Kurve reichen, kann man eventuelle Fehler später trotzdem noch ausgleichen. Da unsereins den Stoff vermutlich nicht mehr umarbeiten wird, stellen die Einschnitte auch kein Problem dar.

Übrigens habe ich schon Röcke aus recht dickem Wollstoff mit der Wegfalt-Methode gemacht, ohne wie oben abgebildet einzuschneiden. Ich finde nicht, daß das der Optik schadet. Es stört eigentlich nur beim Bügeln, was nur nach dem Waschen nötig ist, und das wiederum sollte man nur mit Baumwoll- und Leinenröcken tun.

Die neue Oberkante mit Mulde darin wird nun so in Falten gelegt, daß sich die richtige Taillenweite ergibt, und an ein Taillenband gesetzt. Nimm für die vordere und die hintere Rockbahn jeweils gut die halbe Taillenweite als Maß: So, wie wir den Rock machen, darf jede Hälfte etwas (bis 2 cm) weiter sein als die halbe Taillenweite.

Das Faltenlegen bringt so ziemlich jeden zum fluchen, weil man es so oft wiederholen muß, bis die richtige Taillenweite erreicht ist. (Genau wegen dieser vielen Versuche ist es sinnvoll, die Kante zu heften statt nur zu stecken.) Rechnen bringt nichts, denn sofern man den Rock nicht ohne Unterbauten (oder nur ein kleines Pokissen) tragen will, variieren die Faltentiefen über die Breite der Rockbahn. Es wird ein wenig leichter, wenn man erst eine Hälfte der Rockbahn auf 1/4 der Taillenweite faltet und das Ergebnis dann auf die andere Seite überträgt.

Wir beginnen mit dem Faltenlegen in der vorderen Mitte und von dort nach einer Seite hin. Dabei sollte der Stoff mit der rechten Seite nach oben liegen. Laß erstmal ca. 10-15 cm ungefaltet (dann trägt es am Bauch nicht so auf) und falte dann zur Seite hin allmählich tiefer werdend, mit dem "Gesicht" (=äußerer Faltenbruch) zur Seite weisend. Justiere die Falten, bis 1/4 der Tallienweite oder ein wenig (ca. 1-1,5 cm) mehr erreicht sind. Wegen eines Zentimeters zuviel machst Du einfach die äußerste Falte (oder die äußersten zwei) ein paar Millimeter tiefer und gut is'. Ist das richtige Maß erreicht, versuch, die Falten genau so auf die andere Seite zu übertragen. Nimm es aber nicht zu genau, sonst wirst Du wahnsinnig: Wirklich wichtig ist nur, daß beide Hälften zusammen gut die halbe Taillenweite ergeben. Tip: Daß die Faltentiefen rechts und links nicht gleich sind, sieht keine Sau; Unterschiede im Faltenabstand sieht man nur, wenn sie allzu verschieden sind. Wird eine Robe darüber getragen, siehr man das überhaupt nicht. Wenn beide Hälften in Falten gelegt sind, vergleiche noch einmal mit der halben Taillenweite und justiere ein wenig nach.

Das ganze machst Du in der hinteren Bahn noch einmal, nur daß hier die Falten zur Hinteren Mitte hin weisen. Falte zuerst eine Falte, deren äußerer Bruch auf die Hintere Mitte trifft. Falls die hintere Stoffbahn breiter ist als die vordere, machst Du noch eine zweite Falte, deren äußerer Bruch ebenfalls auf die Hintere Mitte trifft; falls der Stoff relativ dick ist, kann der Bruch auch bis zu 1 cm von der Hinteren Mitte weg sein. Sind die vordere und hintere Bahn gleich breit, sollten die folgenden Falten überall etwa gleich breit und tief sein, also nicht, wie vorn, zur Seite hin tiefer werden - sonst gleicht sich das nicht aus.

Wenn beide Hälften jeder Bahn in Falten gelegt sind, vergleiche noch einmal mit der halben Taillenweite und justiere nach, falls nötig.

Sind die Falten zur Zufriedenheit gelegt, hefte sie ordentlich fest. Nähe auch die Seitennähte zu - bis auf ca. 20-25 cm am oberen Ende, die die Taschenschlitze darstellen. Erst jetzt kann man eine Anprobe machen, um zu sehen, ob der Saum richtig hängt. Da eine Schnürbrust die Taillenhöhe etwas verändert, sollte selbige dabei getragen werden. Es ist mir allerdings noch nicht passiert, daß ein Rock so ungleichmäßig hing, daß es aufgefallen wäre. Wenn doch, dann war einfach das Taillenband verrutscht.

Versäubere dann den Saum. Die einfachste Methode ist einfaches umlegen (bei nichtfransenden Wollstoffen), oder von doppeltes umlegen bei fransenden Stoffen. Eine weitere Methode gerade für empfindliche Stoffe ist das Ansetzen eines 7-12 cm breiten Streifens aus billigem Stoff mit nur knapp 1 cm Zugabe, der so umgeklappt wird, daß ca. 5 mm des billigen Stoffes über den Saum hinausragen - d.h. der billige Stoff stellt die Unterkante des Rockes dar und kann, wenn er abgenutzt ist, ersetzt werden. (Die dafür nötige Arbeit war in vorindustrieller Zeit bei weitem billiger als der teure Kleidstoff.) Der angesetzte Stoffstreifen wird ebenso wie ein ein- oder zweifach ungelegter Saum mit Saumstich festgenäht. Je breiter der Streifen, desto besser schützt er die Innenseite des teureren Oberstoffs vor den Hacken der Schuhe und dem Schmutz, der von selbigen hochfliegt.

Das Taillenband wird so aufgesetzt, als ob es einfach die Oberkante versäubern soll, wie ein Nahtband - nicht breit und steif wie ein moderner Rockbund, denn das Taillenband wird in der Verlängerung über die Seitenkante hinaus dazu benutzt, den Rock mit Schleifen zu verschließen. Daher reicht eine Breite von ca. 2-2,5 cm, maximal 3 cm. Auf die vordere und hintere Rockbahn wird jeweils ein gesondertes Band gesetzt, das lang genug ist, um um den ganzen Körper herumzureichen und immer noch bequem zu einer Schleife gebunden zu werden. Warum die Bänder so lang sein sollen, sieht man hier.

Sonderfall Pokissen

Wird der Rock über einem Pokissen (Bild rechts) getragen anstatt über Poschen oder einem Panier, ist die maximale Rocklänge nicht seitlich, sondern hinten. Daher muß die obige Methode für die Mulde entsprechend abgeändert werden: Die Mulde ist nicht vorn und hinten, sondern quasi überall außer hinten.

Außerdem sollte der Rock hintenrum weiter sein als vorn. Bei zwei Bahnen à 150 cm Breite geht das natürlich nur, wenn man einen Taschenschlitz in den Stoff hinein schneidet. Sinnvoller wäre es, den Rock aus einer 150 cm breiten Vorderbahn und einer 180-220 cm breiten (d.h. aus zwei Teilen zusammengesetzen) Rückbahn zu machen.

Das Bild links zeigt so eine Mulde für ein Pokissen - das heißt, eigentlich ist es ein Hügel. Im rechten Viertel des Bildes sehen wir den Taschenschlitz; die Vorderbahn rechts davon ist bereits gefaltet und an ein Taillenband gesetzt. Von der linken Stoffseite her sieht man recht schön die senkrechte Naht, mit der die Rückbahn von 150 auf ca. 220 cm erweitert wurde. Sie trifft oben auf eine horizontale Stückelnaht, denn der Stoff reichte nicht, um den "Hügel" gleich mit anzuschneiden. Deshalb wurde er angestückelt. Die Stückelung verschwindet unter dem Schoß der Jacke, die dazu getragen werden wird. Abgesehen davon fällt es bei solch blumigen Mustern sowieso selten auf, wenn gestückelt wurde. Bei einer Robe hätte man zum anstückeln sogar irgeneinen ungemusterten Stoff verwenden können, weil die Robe ganz sicher alles verdeckt.

 

 

 

 

1) Es gibt zwei Möglichkeiten, die Reifen zu verdecken: 1. Einen dicken Stoff, aber der müßte sehr fluffig sein, sonst wäre er zu schwer drückte das Panier hinunter. Steppröcke aus zwei Lagen Seide mit Wollvlies dazwischen sind hier das Mittel der Wahl. 2. Einen sehr dünnen, leichten, aber möglichst steifen Stoff, der sich in viele tiefe Falten legt - weswegen der Rock sehr weit sein muß.
2) Je länger der Rock, desto weiter sollte er sein, damit er von der Taille bis zum Saum gleichmäßig weiter werden kann. Das gilt besonders dann, wenn Du das Panier schon größer gemacht hast, um die Proportion zu wahren.
3) Salmon, Xavier (ed.) Madame de Pompadour: L'Art et l'Amour. München: Hypo-Kulturstiftung, 2002
4) Klein, Matthias, und Carola Müller. Die Puppenstadt im Schloßmuseum zu Artnstadt. Königstein: Hans Köster, 1994. Abb. S. 18 oben