Die Konstruktionsmethode des Manteau ist sehr einfach und der der Contouche sehr ähnlich: Sie wird nicht auf den Leib geschneidert, sondern vielmehr drapiert: Größere Mengen Stoffes werden ausschließlich durch mehr oder weniger tief eingelegte Falten in Form gebracht. Während die Rückenfalten der Contouche frei hängen ("Watteaufalten"), sind die des Manteaus einerseits verborgen festgenäht, andererseits von einem Gürtel um die Taille gehalten. Dadurch, daß in einem Manteau so viel unverschnittener Stoff steckt, war es bestens geeignet, später abgeändert oder zu völlig neuen Kleidungsstücken verarbeitet zu werden. Das ist einer der Gründe, warum heute nur noch sechs oder sieben Exemplare weltweit erhalten sind, und auch die nicht völlig unverfälscht. Das wiederum ist einer der Gründe, warum das Manteau, trotz seiner bestechenden Eleganz, heute weitgehend unbekannt und unbeachtet ist. Leider.
Deshalb erscheint es mir ratsam, ein paar erklärende Worte über die reine Nähanleitung hinaus zu verlieren. Das Manteau ist, wie gesagt, eines der vorn offenen Mantelkleider und wird folglich ebenso wie die Française mit Jupe und Stecker über einem Korsett getragen. Unter dem Rock befand sich zunächst kein Unterbau, aber um 1700 herum herrschte eine Mode tournürenartiger Raffungen über dem Hintern, der wahrscheinlich von einem - met verlöff, met verlöff - Arschkissen gestützt wurde. Kurz davor und danach, also in den früheren 1690ern und bis ca. 1710, dürften Hüftrollen zum Einsatz gekommen sein. Dafür habe ich zwar keine Belege, aber die Modelinie deutet darauf hin. Das Frauenzimmer-Lexicon von 1715 erwähnt "Reiff-Röcke" zur Unterstützung, aber nicht, ab wann diese in Gebrauch oder wie sie zu jener Zeit geformt waren. Ich kenne ein Bild, das in Manteaux gekleidete Damen zeigt, die trichterförmige Reifröcke einkaufen. Ein Bild in meiner Datenbank, datiert 1722, deutet darauf hin, daß das Manteau auch mit dem panier à la coupole getragen wurde, das um ca. 1718-26 die vorherrschende Reifrockform war. Typisch war das aber sicher nicht, schon allein, weil das Manteau zu jener Zeit schon fast ausgestorben war.
Das Manteau wurde fast immer mit der Fontange getragen, und die Fontange mit dem Manteau. In der Zeit von 1680 bis 1720 veränderten beide ihre Form in diversen Details:
1680-1690: Vorderkante mal unten ein wenig offen und auf Brusthöhe geschlossen, mal ganz geschlossen. Ab Brusthöhe stark nach außen abgeknickt, so daß die Schultern fast freiliegen. Ärmel sehr kurz und ohne Aufschläge oder etwa T-Shirt-lang mit schmalen Aufschlägen. Die Ärmel der Chemise darunter sind weiter als die des Manteaus und haben an der Unterkante Nadelspitzen, sofern die Trägerin sich das leisten kann. Streifen von 2-3 cm Breite sind besonders um Mitte der 1680er sehr beliebt; ansonsten sind Stoff und Manteau relativ schmucklos. Die Fontange ist niedrig; fast immer liegt ein zarter Schleier quer darüber, dessen Enden gern vor der Brust verknotet werden. (Fontange à la Sultane)
1690-1700: Die Vorderkante öffnet sich und nähert sich immer mehr der V-Form an, die man aus dem 18. Jh. kennt. Häufig sieht man eine zickzackförmige Schnürung, die offenbar die Vorderkanten zusammenhält. Gleichzeitig rutscht der Ausschnitt die Schulter hinauf, näher an den Hals. Nun werden Stecker nötig, die oft mit Schleifen oder anderweitig verziert sind. Auch an den Robings und Ärmelaufschlägen und auf dem Rock zeigen sich immer öfter Verzierungen in Form von Schleifen, Stickerei oder Quasten. Die Ärmel erreichen Ellbogenlänge; die Aufschläge sind schmal und gerade. Die Verzierungen auf dem Rock verlaufen quer und unterteilen ihn optisch in zwei oder (später) mehr Stufen. Die Fontange erreicht um Mitte der 1690er ihre größte Höhe, etwa so hoch wie der gesamte Kopf der Trägerin, wurde schmaler und verlor den Schleier.
1700-1720: Der Kleidrock wird extrem hoch über dem Hintern aufgetürmt, Falbeln und Volants nehmen überhand, die Fontange wird sehr schmal und neigt sich nach vorn. Kurz nach 1700 setzt sich aber langsam eine Gegenbewegung hin zu mehr Einfachheit durch: Statt drei- oder vierstufigen, spitzenverzierten Röcken sieht man häufiger zweistufige Röcke, bei denen die untere Stufe "mit Kopf" eingekräuselt und an die obere Stufe angesetzt wird, dazu niedrige Fontanges und allmählich auch breite, flügelartige Ärmelaufschläge, wie man sie auch an frühen Contouches sieht. Die Ärmel früher Contouches und zumindest eines erhaltenen Manteaus (im dänischen Nationalmuseum) sind auf der Rückseite in mehrere, den ganzen Ärmel hinablaufende Falten gelegt.
Ob der schmale Gürtel, der fast immer zum Manteau getragen wurde, aus Stoff oder aus Leder war, kann ich nicht sagen. In einem Fall scheint es sich um ein Band mit Schleife zu handeln, in anderen Fällen deutet die Anwesenheit von Gürtelschnallen darauf hin, daß Leder nicht ganz auszuschließen ist, auch wenn das auf den ersten Blick nicht zu einem Damengewand passen mag. Ein weiteres Accessoire, das man fast immer mit dem Manteau zusammen sieht, sind mindestens ellbogenlange Handschuhe, wahrscheinlich auch aus Leder. In den Jahrzehnten vor und nach dem Manteau sieht man sie kaum.
Teil 2: Schnitt