Morgentoilette einer Venezianerin, Pietro Longhi, um 1741
Die 1740er und 50er stellen einen Teil dessen dar, was man sich heute am ehesten unter Rokokomode vorstellt: Riesige Reifröcke.
Mitte der 40er erreichten die Paniers ihre größte Breite, mitunter breiter als die Trägerin reichen konnte. Manchmal - bei besonders prächtigen Hofroben - wurden Gesamtbreiten von 2,5 Metern erreicht. Das war allerdings auf formelle Kleidung der allerobersten Schichten beschränkt; im Alltag blieben die Reifröcke klein, wie es man an der Zofe im Bild links sieht. Sie konnten im Aufschnitt rechteckig sein, halbrund oder trapezförmig, im Querschnitt nierenförmig, oval oder fast rechteckig.
Oft kommt die Frage auf, wie die Dame wohl durch die (damals besonders schmalen) Türen kamen. Nun, je nach Breite und Steifheit des Rockes griff sie beide Seiten und drückte sie zusammen, oder sie ging einfach seitwärts. Es ist nicht schwierig, den Rock ein Stück zu drehen, so daß man nicht seitwärts, sondern eher schräg geht.
Eine Öffnung des Oberrocks hätte bei diesem breiten Gewand etwas seltsam ausgesehen, also waren die Roben - wie in einem vorigen Kapitel erwähnt - oft von der Taille abwärts zugenäht, was eine Jupe überflüssig machte. In England, wo das Manteau unter dem Namen mantua überlebte, löste man das Problem so, daß der Rock der Robe vollständig auf die Rückseite gezogen und dort zu einer Schleifenform drapiert wurde, so daß man von vorn nur die Jupe sah.
Frisuren wurden ähnlich getragen wie bisher, vielleicht etwas häufiger gepudert. Make-up wurde zur Kunstform: Es wurde weißer Puder aufgelegt, dazu Rouge und Lippenrot in teilweise grellen Tönen und Mengen... es sollte künstlich aussehen. Mouches, kleine Seidenpflaster, die seit dem Ende des 17. Jh. verwendet wurden, kamen in Form von Monden, Sternen, Herzen, Putten uvm. daher und wurden ins Gesicht oder aufs Dékolleté geklebt. Ähnlich wie Schleifen am Korsett sollen Mouches je nach Position verschiedene, oft "galante" Bedeutungen gehabt haben, aber mittlerweile bezweifle ich diese oft gelesene Behauptung ebenso sehr wie die Geschichte von der "Fächersprache". Weitere Exzesse der Schönheitspflege waren häufiger Aderlaß für die Blässe und Atropin für diesen schmachtenden, großäugigen Rehblick. (Atropin ist das Gift der Tollkirsche, lat. atropa belladonna - und bella donna heißt "schöne Dame".)
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Die Musik ist der erste Satz des Concerto Do maggiore con molti stromenti (1740) von Antonio Vivaldi. Sequenced by yours truly.