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Fächer an sich gehören zu den relativ leicht zu beschaffenden Accessoires für eine historische Darstellung. Authentische Fächer hingegen stellen ein rechtes Problem dar, denn Fächer ist eben nicht gleich Fächer. Originale sind sündhaft teuer (ca. 300 Euro aufwärts) und obendrein zum Benutzen viel zu schade. Um zu erfahren, wie ein geeigneter Ersatz aussehen muß, schauen wir einmal, was einen Fächer des 18. Jahrhunderts von anderen unterscheidet.
Bild 1: Faltfächer um 1750. Stablänge 29,5 cm |
Während Fächer des 19. Jahrhunderts und später halbkreisförmig aufklappen, bilden Rokokofächer meist nur einen Drittel- bis 3/8-Kreis. Nur um 1750 gab es öfters Fächer, die Halbkreise oder fast-Halbkreise bilden; zu anderen Zeiten kommen sie nur sehr vereinzelt vor. Die Stäbe sind um die 28-30 cm lang, selten kürzer (25-26 cm) oder länger (bis 32 cm).
Bild 2: Seitlich beschnitze Stäbe und mit Straß besetzter Stift |
Die Stäbe waren aus Holz, Elfenbein, Perlmutt oder Schildpatt. Mitunter
wurden auch nach europäischem Geschmack gefertigte Fächer aus China
importiert, deren Stäbe aus Bambus sind. Im frühen bis mittleren 18.
Jahrhundert bildeten die unteren Teile der Stäbe meist eine geschlossene
Fläche, die durchbrochen, beschnitzt, intarsiert, teilweise vergoldet und
versilbert und/oder bemalt sein konnte. Im späten 18. Jh. hingegen waren
die Stäbe unten kaum oder nicht breiter als oben, d.h. zwischen den Stäben
war Luft (Bild 6). Besonders typisch sind Schnitzereien an den Kanten im unteren
Bereich, wie man sie nach dem 18. Jh. kaum noch findet. Manchmal sind sie so
gemacht, daß nur im geschlossenen Zustand auf der Seite Figuren sichtbar
werden.
Der Stift, der die Stäbe zusammenhält, ist oft mit einem Straß-
oder Edelstein besetzt. Daran ansetzende U-förmige Bügel (die zum
Aufhängen an einer Châtelaine dienten) gibt es erst etwa ab 1800,
daran befestigte Troddeln sogar noch später.
Typisch für diese Zeit ist auch die gerundete Form des unteren Endes im
zugeklappten Zustand. Bei jüngeren Fächern ist das untere Ende meist
eher spitzig. Allerdings gibt es auch Fächer des 18. Jh., die unten spitz
zulaufen. (Siehe auch weiter unten.)
Man unterscheidet Briséfächer und Faltfächer. Briséfächer
haben kein Blatt; sie bestehen quasi nur aus Stäben, die vom Stift weg
kontinuierlich breiter und an der Oberkante von einem Band zusammengehalten
werden. Bei Faltfächern werden die Stäbe ab einer bestimmten Stelle
ganz schmal; dort wird auf einer oder auf beiden Seiten das Blatt aufgeklebt.
Briséfächer gab es nur am Anfang des 18. Jh. (etwa bis 1730) und
dann erst wieder ab ca. 1800/1810.
Die frühen Briséfächer haben glatte Stäbe ohne jede Schnitzerei,
die vollflächig bemalt sind. Dabei gibt es oft einen Bruch zwischen der
Bemalung des unteren und des oberen Bereiches, der die Grenze zwischen Stab
und Blatt zu emulieren scheint, wie es sie eigentlich nur beim Faltfächer
gibt (Bild 3). Das Band, das die Welt - Verzeihung, den Fächer - zusammenhält,
ist um die Oberkanten der Stäbe herumgeklebt und für gewöhnlich
aus feinem Seidentaft.
Die Briséfächer der Zeit um 1800 herum hingegen haben Stäbe,
die auf mindestens der Hälfte der Länge spitzenähnlich druchbrochen
sind; das haltende Band ist auf ungefähr 4/5 der Stablänge durch Schlitze
in den Stäben gezogen, und die Stablänge beträgt nur um die 15
cm. (Bild 4)
Das Blatt der Faltfächer war aus Papier, Pergament oder sogenannter Schwanenhaut (die in Wirklichkeit das besonders feine Leder von Lämmern oder Zicklein ist). Seidene Fächerblätter gab es dem Frauenzimmer-Lexicon (1715) zufolge auch, aber die wenigen mir bekannten erhaltenen Exemplare datieren alle auf 1770 oder später. Frühere Seidenblätter waren also entweder ziemlich selten oder gingen allzu früh kaputt wahrscheinlich beides. Fächerblätter aus Stoff wurden erst ganz am Ende des Jahrhunderts Mode; Fächerblätter aus Spitze gar erst im späten 19. Jh. Auch Federfächer gehören ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert.
Eine Besonderheit des späten 18. Jh. stellt der Teleskopfächer dar. Das Fächerblatt ist nicht auf die Stäbe aufgeklebt, sondern läßt sich an ihnen auf- und abschieben. Ist das Blatt ganz hinuntergeschoben, kann man den Fächer zu mehr als 180° öffnen, hat aber nur einen kleinen Radius (Bild 7). Schiebt man das Blatt ganz hinauf, erhält man einen ganz normal aussehenden Fächer mit einer 1/3- bis 3/8-Öffnung (Bild 8). Im zusammengeschobenen Zustand paßte ein Teleksopfächer besser in die Rocktasche als ein normaler.
Eine weitere Besonderheit, ebenfalls ab dem späten 18. Jh., ist der Cabriolet-Fächer. Dabei besteht das Blatt aus zwei (selten drei) parallelen Streifen. Dazwischen liegen die Fächerstäbe blank und man kann zwischen ihnen hindurchschauen.
Bis gegen Ende des Jahrhunderts gibt es ausschließlich gemalte figürliche
Darstellungen von Personen und Landschaften. Watteauszenen waren noch lange
nach dem Tod des Malers beliebte Motive, ebenso altgriechische Mythen, Schäferspiele,
Chinoiserien, parkartige Landschaften, Ruinen, Hafenszenen. Häufig wird
die Szenerie von Blumenmalereien und Rocaillen umrahmt, wie beim Fächer
ganz oben, oder die Szenen werden als Medallion eingebettet, wie bei Bild 3
und 4. Ähnlich sind die Stäbe dekoriert, wenn sie überhaupt dekoriert
sind (Bild 4).
Ab ca. 1780 kommen zu den handgemalten Blättern gedruckte*; neben die idyllischen
oder mythischen Darstellungen treten Abbildungen aktueller Ereignisse wie z.B.
der Montgolfière, manchmal auch in Form von Karikaturen, sowie klassizistische
Ornamente. Diese letzteren findet man nicht nur gemalt oder gedruckt, sondern
auch aus Pailletten, die auf Gaze gestickt oder geklebt wurden. Hier rechts
sieht man auch ein frühes Beispiel für Aufhängebügel. Solche
Bügel sind normalerweise ein Merkmal späterer (19. Jh.) Fächer,
können aber unter Umständen auch später einem Fächer des
18.Jh. hinzugefügt worden sein.
Moderne Fächer gibt es im wesentlichen in vier Varianten:
Alle diese Fächer sind leider unauthentisch - manche mehr, manche weniger. Die Debütantinnenfächer kann man wegen des vielen Plastiks und der Spitze schon mal vergessen. Die chinesischen Briséfächer eignen sich allenfalls für eine Empiredarstellung, sofern man die Nylonfäden ersetzt, dafür aber gut: damals importierte man auch chinesische Fächer, die allerdings ungleich feiner gefertigt waren als heutige. Bei den spanischen stört das zu schmale und aus Stoff gemachte Blatt, evtl. auch der meist dem 19. Jh. verpflichtete Stil der Bemalung. Auf die Ferne und als Notlösung sind die besseren, nicht bloß als Billigsouvenirs gemachten Exemplare allerdings nicht schlecht. Asiatische Faltfächer sind am geeignetsten, sofern der Dekor zurückhaltend ist, sind aber meist zu klein. Die asiatische Optik läßt sich leicht mit der damaligen Chinoiseriemode entschuldigen, zumal auch einige aus China importierte, zeitgenössische Fächer asiatischen Dekor haben. Um den Unterschied zwischen "echt" chinesischen und für den europäischen Markt gefertigten sinisierenden Fächern zu erkennen, muß man einige Erfahrung haben.
Hier ein Vergleich der Formen und Größen zwischen einem modernen japanischen Fächer (links bzw. unten) , einem spanischen Fächer aus den 1960er Jahren (Mitte) und einem Fächer aus der Mitte des 18. Jh. (rechts bzw. oben). Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil der asiatischen Fächer: Ihre Stäbe werden dort, wo das Blatt aufgeklebt werden soll, so dünn geschliffen, daß sie noch vor der Oberkante ins Nichts verschwinden. Dadurch wird der Fächer nicht nach oben hin allmählich breiter, wie es beim spanischen der Fall ist. Auch im 18. Jh. machte man das so.
Fächer aus dem 19. Jh. eignen sich noch weniger als die modernen zum Ersatz, da die Bügel und Troddeln allzu verräterisch sind. Es gibt zwar im 19. Jh. auch z.T. sehr gute Nachahmungen von Rokokofächern, die ein Laie kaum vom Original unterscheiden kann, aber die sind nicht viel billiger als das wahre Jakob. Von Spitzen- und Federfächern hingegen ist unbedingt Abstand zu nehmen. Zudem sind auch Fächer des 19. Jh. heute wertvolle Antiquitäten, die man keinen Risiken aussetzen sollte.
Wer auf Authentik wert legt, wird sich wohl einen Fächer anfertigen lassen bzw. selber anfertigen müssen, was einige Übung erfordert. Dabei können die Fächermuseen in Paris (siehe Museen) und London helfen (in London gibt es sogar Kurse); Malcom Cox (siehe Bezugsquellen) kann die Gestelle liefern.
Im Zusammenhang mit Fächern ist oft von der "Fächersprache" die Rede. Fächer sollen ab dem 18. Jahrhundert verwendet worden sein, um bei gesellschaftlichen Zusammenkünften nonverbale Geheimbotschaften auszutauschen. Regelrechte Wörterbücher ordnen einer Fächergeste (z.B. "Fächer geschlossen an die linke Wange gehalten") eine Aussage (z.B. "Ich liebe dich") zu. Es soll sogar Kurse gegeben haben, in denen die Fächersprache gelehrt wurde. Wie die Geheimbotschaften geheim bleiben konnten, wenn ihre Bedeutung durch Bücher und Kurse allgemein bekannt war (oder andersherum, wie der Empfänger sie verstehen konnte, wenn die Bedeutung geheim war), bleibt unerwähnt. Quellen werden in diesem Zusammenhang selten genannt. Die eine Quelle ist eine Broschüre von Duvelleroy (ein Fächerhersteller, den es erst seit dem frühen 19. Jh. gab), die andere (ebenfalls französisch) ist in keinem deutschen, französischen oder englischen Verbund-OPAC verzeichnet - auch nicht in dem der Bibliothèque Nationale de France.
Dem Ursprung dieses immer wieder kolportierten Märchens bin ich auf einer eigenen Seite auf den Grund gegangen.
*) Wie eine Leserin, Margaretha, mir schrieb, gab es bedruckte
Fächer auch schon im frühen 18. Jh. v.a. in England, aber wohl eher
vereinzelt.
**) Le Livre de quatre couleurs. Chapitre premier. Des differentes manières
de se servir de l'eventail. Paris: Duchesne, 1757
Bildnachweis (in Reihenfolge des Erscheinens auf dieser Seite):
Bild 1 und 6: M. Weber
(Privatbesitz)
Bild 2, 4, 10, 11: Yours Truly (Privatbesitz)
Bild 7, 8: David Ranftl
alle anderen: Bayerisches Nationalmuseum, 1987