Was trägt die Frau, wenn es kalt ist? Leider geben Bilder nur selten darüber Auskunft. Selbst die wenigen gemalten Winterszenen scheinen von Menschen bevölkert zu sein, die sich noch in einem Kühlschrank über die Hitze beschweren würden. Für Übergangswetter sind die hier vorgestellten Mantelets durchaus geeignet, aber als Material wird nur Seide erwähnt besonders warm sind sie also nicht. Das rote Mantelet unten links sieht mit all dem Fell zwar kuschelig aus, aber wahrscheinlich läuft das Fell nur an den Kanten entlang. Der rote Stoff könnte immerhin Wolle sein. Für etwas mehr Wärme empfehle ich ein Mantelet oder eine Plisse aus Wolle. Für richtig kalte Tage sollte ein Radmantel her.
Die folgende Anleitung und die Schnittdiagramme stammen aus L'art du tailleur von Garsault, veröffentlicht in den 1760ern. Daher die Numerierung der Abschnitte und die Verwendung ungewohnter Maßeinheiten. In Klammern habe ich die gerundeten Umrechnungen in Zentimeter angegeben. Hier mehr Info über die Umrechnung. Garsault's Originaltext (in Übersetzung von mir) ist im Folgenden fettgedruckt; meine Anmerkungen in eckigen Klammern und normal. Die Schnittdiagramme sind durch anklicken vergrößerbar.
298. Das Mantelet & seine Kapuze. Das Mantelet ist ein kleiner Mantel für Frauen, welche sie über die Robe anziehen, vor allem wenn sie aus dem Haus gehen: Man macht dazu immer eine Kapuze; die Kapuze wird extra geschnitten & dann an das Mantelet angesetzt: Das alles wird aus Taft gemacht, der zwei Tiers [80 cm] breit ist, oder aus Satin eine halbe Aune [60 cm] breit; gefüttert wird mit dem gleichen Stoff. |
Garsault sagt zwar, daß Mantelets und Plisses aus Taft oder Satin gemacht werden sollten, aber beide wärmen nicht besonders. Wer kein reines Zier-Mantelet haben will, sollte es Garsault zum Trotz aus Wollstoff machen oder den Seidenstoff mit Wolle füttern. Nimmt man einen Stoff von 150-160 cm Breite, wie heutigentags üblich, reichen bei guter Stoffausnutzung 120-150 cm: Wo Garsault nur 60-80 cm Breite zur Verfügung hat und entprechend mehr Länge braucht, drehen wir den Schnitt einfach um 90°. Daß wir dann mehr als 60-80 cm Länge brauchen, liegt daran, daß die Kapuze aus dem Verschnitt nicht ganz herausgeht. |
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299. Für ein normales Mantelet und die Kapuze braucht man anderthalb Aunes [180 cm] für den Hauptteil, der zur Hälfte gefaltet für jede Seite 3/4 [90 cm] lang ist, vom Nacken b fig. II bis zum Ende jeder Flappe c; für die Kapuze, fig. I, ein Tiers [40 cm] zur Hälfte gefaltet, also zwei Tiers. Alles in allem braucht man 2 1/3 Aunes [280 cm]. 300. Man beginnt damit, die zwei Tiers für die Kapuze, fig. I, zu schneiden, die man über die Stoffbreite zur Hälfte faltet. Ebenso faltet man den Rest für das Mantelet, fig. II, auf Hälfte. Man schneidet den Halsausschnitt wie von b bis n zu sehen, und dann den Armausschnitt m, d.h. jene Teile, die über die Arme gehen und die man die Flappen des Mantelets nennt. Bei der auf Hälfte gefalteten Kapuze schneidet man einen Keil gh aus dem Stoffbruch, von vier bis fünf Pouces [10-13 cm] schmaler werdend. Die Spitze h dieses Keils wird die Mitte der Rundfalten i bilden, die man aus des Rest des Faltenbruchs bildet. Danach schließt man diesen Einschnitt mit einer Naht. Die Falten sitzen in der Mitte des Hinterkopfes.
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Die Stoffökonomie bei einem modernen 150-cm-Stoff erfordert, daß wir zuerst das Mantelet zuschneiden. Falte zu diesem Behufe den Stoff der Länge nach, d.h. in Richtung der Webkanten. Markiere dann die Schnittlinien so, wie in Fig. II zu sehen. Im Schnittdiagramm sind bereits zwei Möglichkeiten angedeutet: Mit eher dekorativ, kurzem Rücken und langen Vorderflappen, oder verfroren, mit langem Rücken und kurzen Flappen. Du mußt also nicht exakt so schneiden, wie es im Schnitt ist. Je nachdem, wie lang der Stoff und der Mantelet-Rücken sind, kann man die Kapuze auch im Stoffbruch (ca. 35-40 cm im Quadrat) schneiden. Wenn nicht, geht sie aus dem Verschnitt in zwei Quadraten heraus. Wenn dann noch genug übrig ist, kann man die Flappen (g) durch anstückeln aus dem Verschnitt verlängern. Der Keil gh, den man aus der Kapuze schneidet, reicht etwa bis zur Hälfte der Seite. Der Stoffbruch (bzw. die Naht, wenn die Kapuze in zwei Teilen geschnitten ist) ist im Schnittdiagramm oben. Da, wo die kurzen Schrägstreifen eingezeichnet ist, ist der Hinterkopf; die untere Kante wird an das Mantelet genäht. Entlang der Keil-Schnittlinie näht man zu. |
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301. Um die Kapuze am Mantelet zu befestigen, beginnt man damit, daß man die Mitte des Halsausschnitts des Mantelet o o, fig. II, um es auf das Maß jener Seite der Kapuze zu reduzieren, in die man den Schnitt gemacht hat [d.h. g wird auf b treffen]. Dann näht man diese Seite an die Falten des Halsausschnitts o o und näht weiter die hinteren Teile von Mantelet & Kapuze zusammen, indem man das des Mantelets auf Maß rafft. Schließlich, damit man diese beiden Teile mehr oder weniger um den Hals zuziehen kann, näht man auf die linke Seite ganz herum ein Band, das einen Tunnel bildetdurch den man eine Schnur zieht, mit dem man den Kragen des Mantelets mehr oder weniger zusammenziehen kann. Das Ganze umrandet man mit einer schwarzen Spitze. 302. Man macht Mantelets auch aus Musselin, aber das ist Aufgabe der Weißnäherin.
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Nun zum am schwierigsten zu verstehenden Teil: Die Falten hinten an der Kapuze. Nimm Dir die Innenseite vor und markiere den Stroffbruch z.B. mit einer Nadel. Stich den Nähfaden durch den Punkt h (das Ende der Keil-Naht). Lege den noch offenen Rest der Hinterkopf-Seite in gleichmäßig tiefe (2-3 cm) Falten, deren innere Faltenbrüche alle am Punkt h zu liegen kommen, bis Du am Stoffbruch (oder der Naht, mit der Du die zweiteilige Kapuze zusammengenäht hast) ankommst. Auch der Bruch sollte auf Punkt h zu liegen kommen. Zieh nun den Nähfaden durch alle inneren Faltenbrüche auf einmal, schiebe den Stoff fest zusammen und näh ein paarmal durch, damit die Falten nicht mehr verrutschen können. Dann machst Du das gleiche auf der anderen Seite, so daß am Ende alle inneren Faltenbrüche am Punkt h versammelt sind. Läßt man die Falten dann los, legen sie sich sternförmig.
Der Halsausschnitt des Mantelets wird nun eingereiht und die Unterkante der Kapuze daran festgenäht. Die Naht wird durch ein Band abgedeckt, durch das man eine Schnur zieht. Die bindet man vorn zur Schleife. Ordentlich gewalkte Wollstoffe kann man unversäubert lassen, was bei den vielen gerundeten Kanten sehr hilfreich ist. Bei Seidentaft kann man Auszäcken. Wenn man um das Versäubern nicht herumkommt, sollte man einen schräg geschnittenen Streifen Oberstoff dafür nehmen (wofür dann aber insgesamt mehr Stoff nötig ist). |
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fig. III303. Die Plisse und ihre Kapuze. Die Plisse ist eine andere Art von Mantel, viel weiter als das Mantelet; man macht sie ebenfalls aus Taft oder Satin. |
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304. Man braucht für eine Plisse dreieinhalb Aunes [420 cm], verteilt auf vier gleiche Breiten m n o p, fig. III, jede 3/4 [90 cm] lang. Man setzt m n der Länge nach zusammen, so daß sie zusammen die Rückenteile bilden, dann faltet man sie aufeinander, um an ihren Außenseiten je einen Keil abzuschneiden, wie man es auch bei der Herstellung einer Robe macht; das gleiche macht man mit den Vorderteilen, die man aufeinandergelegt hat. Die vier abgeschnittenen Keile näht man je zu zweit zusammen. Wenn man nun die Rücken- und Vorderteile aneinandernäht, findet sich notwendig ein dreieckiges Loch in der Länge der abgeschnittenen Keile; dieses füllt man auf jeder Seite mit den zusammengenähten Keilen q q. Dadurch gibt man dem Ganzen weniger Weite oben, mehr Weite unten. Man glättet beide mit der Schere und schneidet dabei auch die Krümmung r r in jede Vorderseite. In die Mitte der Vorderteile schneidet man eine Öffnung s s von 6-7 pouces [16-19 cm], durch die die Arme gesteckt werden. Man füttert die Plisse aus dem gleichen Stoff, oder für den Winter mit Pelz. |
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305. Die Kapuze wird extra angefertigt, aus einem Tiers [80 cm] im Quadrat, doppelt gelegt wir das vorige; & um es an der Plisse zu befestigen, legt man sie [die Plisse] bis auf ein Sechzehntel [8 cm] vor der Vorderkante der Höhe nach in Falten und geht weiter bis auf ein Sechzehntel an die Mittelnaht der Rückenteile heran. Das verengt sie auf das Maß der Unterkante der Kapuze, die man dann dort befestigt. Der Rest wie beim Mantelet. |
Mach einfach die Kapuze so wie beim Mantelet. Die Kapuze an einem Radmantel in "Costume Close Up" ist ganz genauso gemacht, und auch Garsault's Text bringt hier keine neue Verarbeitungsmethode. Ich gehe also davon aus, daß Kapuzen im 18. Jh. alle so gemacht wurden, wie für das Mantelet beschrieben. |
Quelle: de Garsault, M. L'art du tailleur. Neuchâtel 1780 (Nachdruck der Erstausgabe 1769)