Ein ordentlicher "Anzug" besteht aus Taille und Rock. Taillen sind wie heutige Kostümjacken wirkende, gefütterte, mit Fischbein gesteifte und eng anliegende Oberteile, die bis weit ins 20. Jh.hinein ohne Bluse darunter getragen wurden. Den heute üblichen Dreiklang von Bluse, Rock und Jacke findet man zuerst bei der Reformkleidung; als ab ca. 1910 Korsetts aus der Mode kamen, faßte er allmählich Fuß. Die Bluse als lose sitzendes, ungefüttertes, waschbares Oberteil enwickelte sich Ende des 19. Jh. und parallel dazu Blusentaillen mit anliegendem Futter und locker drapiertem Oberstoff.
Unsere Abb. 295 stellt das Innere einer einfachen glatten Taille dar, das alle Phasen der Bearbeitung ausweist. Da sehen wir noch die Heftfäden and den Nahträndern, die zusammengesteppten, bereits mit den einfachsten Nahtstäben versehenen Nähte, den schließlich unten mit der gegengesetzten Blende sauber gemachten Rand. An den Schlußrändern wird der angeschnittene breitere Nahtzugabenteil umgebogen, mit Stecknadeln festgesteckt, in der Taillenschlußgegend nach Bedarf eingeschnitten und sauber umgeheftet (man kann ihn nach Belieben am Rande durchsteppen).
Dann beginnt man die Ränder mit Haken und Oesen zu versehen, die man aber für stärkere Damen am besten auf eine besondere Leiste vorarbeitet, wie sie auch schon fertig im Handel zu haben ist, und die mit der Maschine fest aufgesteppt wird. Darüber wird ein Stofftreifen gelegt, der mit Hohlstichen anzusäumen ist. Damit dieser Verschluß ganz gesichert ist, wird das Ganze noch auf der einen Seite (gewöhnlich der linken), mit einer Leiste untersetzt, die den Untertritt zwischen den beiden Vorderteilen bildet. Die Schulternähte werden darauf geschlossen.
Der Taillenrand wird nach dem Zwecke, dem das Leibchen dient, nur einfach sauber gemacht, oder aber er erhält eine Einlage aus schräg geschnittener Gaze oder durch einen außen aufgesteppten, innen umgebogenen Streifen Steifleinen.
Bezüglich des Einnähens der Fischbein- oder Taillenstäbe folgendes: Stäbe, die schon eine Stoffbekleidung haben, werden an den Rändern dieser Bekleidung mit Vor-, Hexen- oder Saumstichen angenäht. Für Stäbe ohne Bekleidung näht man Batist- oder Leinenbändchen, die man etwas anhält und oben umschlägt, ebenfalls mit Saum oder Vorstichen auf; dann schiebt man die Stäbchen ein. Oben werden sie durch eine sogenannte "Fliege" befestigt. An den geschlossenen Abnähern sowie an den Schlußrändern der Taillen, besonders wenn sie Schnürschluß haben, verwendet man nur Stäbe ohne Umkleidung; man schiebt sie in die Naht, die man zu diesem Zweck in der Breite des Stäbchens abgesteppt hat.
Die Futtertaillen der Blusentaillen werden nach den Grundregeln der einfachen glatten Taille gearbeitet. Was nun die Futtertaille der eleganten Toilette anbelangt, so sollte auch für diese nur Taffet verwendet werden [...]. Eine gute Schneiderin versäumt es nie, die aus Seide bestehende Futtertaille (die stets etwas über den Schluß herabreicht) vom Schluß aus nach aufwärts, in der Höhe eines gefällig geschweiften Gürtels, doppelt zu Arbeiten. Diese miederartigen Teile, die natürlich mit in die Nähte eingearbeitet werden, und aus dem gleichen Material wie die ganze Taille bestehen, werden, wie auch elegante Taillenbänder, mit Valenciennesspitzen besetzt.
Anstatt der echten Fischbeinstäbe bringt man in den vom Oberstoff abhängigen Futtertaillen, oft selbst in den allerfeinsten Häusern, nur Fischbeinersatz an [... ]. Auch das einnähen des Taillenbandes erfordert Aufmerksamkeit. Es muß an der richtigen Stelle, nämlich um einige Millimeter über dem Taillenabschluß befestigt werden, damit es die Taille glatt herabzieht.
Die Leibchen von Ballkleidern (Balltaillen) wurden im Grund nach dem gleichen Schnitt und der gleichen Methode gearbeitet, nur eben mit Ausschnitt und kurzen Ärmeln. Siehe Schnitt.
Blusentaillen zeichnen sich gegenüber glatten Taillen dadurch aus, daß loser Oberstoff auf eine glatt anliegende Futtertaille drapiert wird. Dabei waren der Phantasie in Sachen Material- und Formenvielfalt kaum Grenzen gesetzt. Hier ein Beispiel: Schritt 1, Schritt 2, Schritt 3 des Drapierens; westenartiger Besatz.
Blusen
Im Hause, im Bureau, zum Sport, zur Reise und Promenade, ja auch für Theater und Konzert, ist eine passend gewählte Bluse zu einem ebenfallst passend gewählten Rock vollkommen schick. Einzig zu einer Gesellschaftstoilette gehört sie nicht [... ].
Schnitt: Einfache Bluse
Die Hausbluse soll eine einfache Form, vielleicht die des beliebten Blusenhemdes, haben [... und] kann, wenn es die Mode gerade zuläßt, sehr gut halblange Ärmel haben [...]. Ebenso soll auch die Bureau- und Geschäftsbluse einfach sein; man verleihe ihr möglichst wenig Zierat, damit nicht Gelegenheit zum Hängenbleiben an Kasten und Schüben, Schreibmaschinen usw. gegeben ist. Hemdblusen, vielleicht mit weißem Wäschekragen und und Krawattenschleife, sind auch hier sehr empfehlenswert. [..] Die feinste unter den Blusen bildet die sogenannte Abendbluse, die auch von der elegantesten Dame zu Theater und Konzerten getragen wird; Seiden in allen Arten, Chiffon und Spitzen sind das Material, Spitzen, Stickereien, Chiffon, feinste Häkeleien, Seidenpassementerien und mancherlei anderes bilden die oft entzückenden Besätze dieser Blusen, die vielfach des guten Sitzes halber auf einer mit Fischbein gesteiften Futtertaille gearbeitet werden. Achtung: Auch einfachste Hemdblusen hatten eine figurnahe Futtertaille, nur nicht gesteift.
Kragen und Ärmel haben jeweils eigene Seiten.