VERMISCHTES |
"Frauen sind eitel. Männer? Nie--!"
Diese Zeile aus einerm Gedicht von Kurt Tucholsky könnte falsch verstanden werden, wenn man Tucholsky nicht kennt. Natürlich meint es es ironisch, und nur wegen dieser Ironie (im Verein mit meiner allgemeinen Sympathie für Tucholsky) ist es geeignet, als Motto für meine Seiten zu dienen. Wenn nicht die Kenntnis des Tucho-Gedichtes, so sollte zumindest das Studium dieser Seiten mit dem Vorurteil aufräumen, daß Eitelkeit eine Frauendomäne sei.
Zur Entstehungsgeschichte:
Am Anfang - sowas um 1994 herum - war eine Site über Mode des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, inspiriert durch meine glücklichen Flohmarktfunde an alten Schnitten, die ich gern mit weniger Glücklichen teilen wollte. Meine große Liebe gilt aber der Mode des späten Barock und des Rokoko. Und da mein Ärger darüber, daß ich keine Infos zum Aussehen und zur Herstellung solcher Kostüme finden konnte, eine der Motivationen zur Einrichtung dieser Site gewesen war, konnte eine allmähliche Ausweitung in eben jene Epochen hinein nicht ausbleiben. Damals gab es noch kein Amazon, wo man englischsprachige Bücher ganz einfach hätte finden und bestellen können.
Um 1999 bin ich in die Reenactment-Szene des 18. Jh. hineingeraten und gehörte zu den ersten, die dort nichtmilitärisches Reenactment betrieben. Jetzt sammle und veröffentliche ich also schwerpunktmäßig Wissen, Material und Bilder nicht nur über die Kleidung, sondern auch über das Alltagsleben und die materielle Geschichte des 18. und, wenn möglich, des späten 17. Jh. Später kamen Gründerzeit und Frühmittelalter hinzu.
Was mich zur Kostümgeschichte gebracht hat ist die Vorsehung. Doch, ehrlich! Als ich nämlich im zarten Alter von etwa fünf Jahren unheimlich stolz darauf war, die vielen tausend Buchstaben des lateinischen Alphabets auswendig aufsagen und sogar erkennen zu können (sofern ich sie nicht selbst geschrieben hatte), fiel eines Tages mein Blick auf eine von Mutterns Frauenzeitschriften, auf der riesengroß vier Buchstaben prangten... Meine neuen Kenntnisse testend, murmelte ich sie vor mich hin: em - oh - de - e. Und dann traf mich die Erkenntnis, daß sie, wenn man sie nur schnell und ein wenig schludrig hintereinanderweg aussprach, wie ein richtiges Wort klangen! So kam es, daß das erste Wort, das ich je gelesen habe, "MODE" war.
Es dauerte dann aber nochmal zehn Jahre, bis ich Nähen als Hobby enteckte, mit dem ich versuchte, mich dem Diktat der herrschenden Mode zu entziehen und hin und wieder auch der Realität. Trachten diverser Völker (z.B. der Japaner oder Sami) faszinierten mich und ich versuchte sie nachzuschneidern. Auch die heimischen bairischen Trachten versuchte ich zu reproduzieren. Aus heutiger Sicht finde ich alle diese damaligen Versuche ziemlich beschämend.
Weitere fünf Jahre später fing ich zu allem Übel an, Soziologie im Nebenfach zu studieren und gelangte über die Konsumsoziologie zur Modesoziologie, der Wissenschaft von der sozialen Bedeutung der Mode (nicht nur Kleidermode) und dem woher, warum und wohin des Modewandels.
Schließlich fielen mir im Antiquitätengeschäft alte Schnittmusterbögen in die Hände, und das war's dann: Ich fing an, kostümgeschichtliche Gegenstände zu sammeln: Modehefte, Scheidereibücher, Kleidungsstücke... soweit es ein Studentenbudget halt erlaubt.
Die Site wuchs und wuchs mit meiner Sammlerwut, bis der kostenlose Platz bei Geocities nicht mehr reichte. Eine Bekannte (die Eignerin von costumegallery.com) bot mir Webspace zum Vorzugspreis, aber der reichte bald auch nicht mehr, so daß ich für teures Geld 150 MB mit Domainnamen mietete. Erst kürzlich habe ich endlich Sponsoren gefunden, die durch thematisch halbwegs passende Werbung die Betriebskosten fast wieder reinbringen.
Manchmal werde ich danach gefragt, was eigentlich an Substanz hinter meiner Site steht. Eine sehr berechtigte Frage, da im Internet jeder Hansel alles veröffentlichen und behaupten kann, ohne jede Qualitätskontrolle. Nun, ich habe den akademischen Grad des Magister Artium (M.A.) erworben , d.h. mindestens 8 Semester ein geisteswissenschaftliches Haupt- und zwei Nebenfächer mit einer Abschlußarbeit als Krönung. Im Prinzip arbeite ich noch immer mit den Methoden, die ich dabei erlernt habe, aber eigentlich noch strenger. So vertraue ich z.B. im Fall der Kostümgeschichte nur noch Schriftstücken und Bildern aus der jeweiligen Epoche sowie mit Vorbehalt erhaltenen Kostümen - die könnten später umgearbeitet worden sein. Deshalb lebt diese Site vor allem von zeitgenössischen Bildern, so daß jeder seine eigenen Schlußfolgerungen daraus ziehen kann. Nicht zeitgenössische Quellen müssen - besonders, wenn sie vor ca. 1970 verfaßt wurden - ihre Vertrauenswürdigkeit dadurch beweisen, daß sie zeitgenössische Quellen zitieren und identifizieren (d.h. die Angaben müssen überprüfbar sein) oder wenigstens dadurch, daß ihre Behauptungen mit zeitgenössischen Quellen in Einklang stehen. Dabei vertraue ich nicht der Sekundärquelle an sich, bloß weil zwei, drei Behauptungen darin richtig waren, sondern nur der einzelnen beweisbaren Behauptung.
Ich muß zugeben, daß ich den Regeln für eine wissenschaftliche Veröffentlichung v.a. in der Anfangszeit nicht immer ganz gefolgt bin. So gebe ich v.a. in den frühen Artikeln nicht für jedes Bild und für jede Behauptung eine Quelle an - meine eigene Site käme also nur teilweise als Quelle für mich selber in Frage. Der Hauptgrund dafür ist die Historie: Als diese Site entstand, war sie nur eine Etüde in Sachen Webdesign. Erst nach ca. 3 Jahren fing sie an, "ernst" zu werden. Seither hänge ich zwischen den Stühlen: Ich will oberflächlich Interessierte an die Kostümgeschichte heranführen, ernstlich Interessierten die praktische Umsetzung erleichtern, alteingesessene Klischees durch fundiertes Material zerstören und das noch immer schmale Informationsangebot in deutscher Sprache erweitern.
Das Dilemma dabei ist ein didaktisches: Wären alle meine Artikel nach wissenschaftlichen Standards verfaßt, dann würden sie vielleicht die oberflächlich Interessierten abschrecken, die doch gerade zu weiterer Rechereche verlockt werden sollen. Das Internet ist nun mal etwas anderes als eine Unibibliothek; die Benutzer haben meist eine ganz andere Motivaton und eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Also versuche ich die Balance zu halten zwischen fundierter Information und leicht verdaulicher Präsentation. Fußnoten und Quellenangaben im Text würden den Lesefluß behindern; die Quellen sind aber alle auf einer extra Seite aufgelistet. Zudem verwende ich oft Umgangssprache, weil sich dadurch Sachverhalte oft klarer, direkter ausdrücken lassen und weil sie auflockernd wirkt. Wenn ich eine neue Seite schreibe, sitzt immer eine imaginäre Freundin neben mir, der ich die Sachverhalte in Alltagsdeutsch erklären muß. Wer mir aus der flapsigen Präsentation mangelnde inhaltliche Ernsthaftigkeit stricken will, fällt selber rein.
Oft unterschlage ich auch Alternativen bzw. verbanne sie in Unterseiten, um den Leser nicht übermäßiger Komplexität auszusetzen. So erscheint es in den Artikeln (v.a. im Bereich "Herstellung von...") oft, als ob ich eine Expertin im jeweiligen Gebiet sei, aber das ist nicht mein Anspruch. Es ist nur so, daß der Durchschnittsuser sich schnell überfordert fühlt, wenn man ihm sagt, es könne so oder auch so sein: Er oder sie braucht definitive Angaben, um glücklich zu sein. Also reduziere ich die Komplexität, indem ich weniger wahrscheinliche Alternativen ans Ende der Seite oder auf extra Seiten verbanne.
Zusammenfassend: Die Präsentation entspricht zwar nicht wissenschaftlichen Standards, aber der (textuelle) Inhalt basiert entweder auf zeitgenössischen Quellen oder ist durch entsprechende Formulierungen als mehr oder minder spekulativ gekennzeichnet. Wenn die Überprüfbarkeit einer einzelnen Behauptung wichtig ist, bin ich auf Anfrage gern bereit, meine Quellen im einzelnen aufzudecken.
Ach ja, nach dem Domainnamen werde ich manchmal gefragt. Besonders von Leuten, die mal ein E vor dem .de vergessen haben (versuch's mal! *g*). Ich habe mir recht früh die Marquise de Pompadour als "Schutzpatronin" gewählt, zum einen weil jenes berühmte Portrait im grünen Kleid, das die Hauptseite ziert, ein früher Traum von mir war, zum anderen, weil die Pompadour eine wahre Modezarin war.