Als Stoddard nach Japan reiste (zwischen 1895 und 1897), wurde es von Kaiser Mutsuhito regiert, der in Japan eher unter dem posthumen Namen Meiji Tennô bekannt ist. Das einst so hermetisch gegen den Rest der Welt abgeschlossene Land war erst wenige Jahrzhente zuvor für "den Westen" geöffnet worden und machte gleich danach große politische Veränderungen durch: Der Shôgun, der jahrhundertelang de facto Alleinherrscher gewesen war, trat 1868 ab und übergab die Macht dem Kaiser. Dieser verlegte seine Residenz von Kyôto nach Edo, das denn auch sofort umbenannt wurde in "östliche Hauptstadt": Tôkyô.
Als Stoddard ankam, hatte die Meiji-Regierung ("Meiji" bedeutet soviel wie "erleuchtete Regierung") bereits einiges an Reformen auf den Weg gebracht und arbeitete an weiteren, die dem Land den Anschluß an die moderne, westliche Welt ermöglichen sollten. Verfassung und Gesetze nach europäischem Vorbild wurden erlassen, das deutsche Bildungssystem kopiert, Studenten nach Europa und Amerika geschickt. Stoddard drückt seine Bewunderung für die Grundschulen aus, die allen offenstehen, sowie für die neue Kaiserliche Universität, die heute noch als Tôkyô Daigaku (Tôdai) höchstes Prestige genießt.
Europa und Amerika waren die leuchtenden Vorbilder, die bewundert und imitiert wurden. Was Stoddard erlebte, war der Aufbruch einer Gesellschaft aus dem Mittelalter in das Industriezeitalter - vom Feudalsystem mit einer fest umrissenen Klassenstruktur (Krieger > Bauern > Handwerker > Kaufleute, in der Reihenfolge absteigenden Ansehens) zur vorindustriellen Gesellschaft, in der die einst fast allmächtigen Samurai keinen Platz mehr hatten. Die für Japaner so wichtigen Bestimmungsfaktoren von Status und Rang wurden gerade neu definiert und führten letztendlich zur heutigen Bestimmung über den Beruf.
Aber damals wie heute kratzte die Modernisierung und scheinbare "Verwestlichung" gerade mal an der Oberfläche. Was Stoddard bemerkte und was viele heutige Besucher völlig übersehen ist, daß Japan im Kern immer japanisch blieb, sei es in der Meiji-Ära (1868-1912), der Shôwa-Ära (1926-1989) oder der Heiwa-Ära (heute).
Und doch scheint das Japan der Meiji-Zeit vom heutigen Japan weiter entfernt zu sein als von dem des 17. Jh. Aber Stoddard beschreibt wohl lieber das, was ihm exotisch erscheint als das, was ihm vertraut und selbstverständlich ist - und erscheint uns nicht auch das Europa des 19. Jh. heute wie ein fremdes Land?
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