(die meisten Bilder sind durch anklicken vergrößerbar)
Um einen echten Originalschnitt zu bekommen, müßte man eine alte Riegelhaube auseinandernehmen, und das täte man nur bei einem völlig abgefuckten Exemplar, das dann aber bitte sehr billig hergehen muß. Bei den wenigen kaputten Teilen, die ich bisher im Handel gesehen habe, wurden aber Mondpreise verlangt. Der Rest ist wohl in die Tonne gewandert. :( Wir können also nur von außen auf die Konstruktionsmethode schließen.
Ich kenne drei verschiedene Schnitte: Denjenigen, den ich im Riegelhauben-Kurs bekam, einen aus einem kopierten Heftchen1, und einen, den ich in einem Buch über Goldstickerei sah2. Sie unterscheiden sich z.T. deutlich. Ich finde, daß die Hauben, v.a. die Haubenböden, im Goldstickerei-Buch ziemlich seltsam aussehen, während die Hauben, die im Kurs entstanden, den Originalen recht nahe kamen. Der Schnitt aus dem Heftchen hingegen eignet sich wegen des einteiligen, breiten Haubenrandes wohl eher für eine Haube des 18. Jh., aber das könnte täuschen.
Was die Hauben des 18. Jh. von denen des 19. unterscheidet ist, von der Größe mal abgesehen, die Zweiteilung des Haubenrandes in Längsrichtung. Bei den älteren Hauben deutet sie sich an, indem der vordere Haubenrand von einer breiten Borte bedeckt wird und nur der hintere bestickt ist. Im 19. Jh. werden beide Teile bestickt und meist durch eine Reihe "Nägelchen" (d.h. hutförmiger Folien) voneinander abgegrenzt (siehe Bilder unten, obere Reihe). Außerdem werden beide Teile gesondert mit Werg, Wolle oder Watte unterfüttert, so daß der Rand aus zwei getrennten Wülsten zu bestehen scheint. Das Innenleben hingegen (d.h. die Pappe und das Innenfutter) ist aus einem Stück. Im Bild links ist diese Zweiteilung besonders schön zu sehen, da der vordere Haubenrand dicht mit Perlen bestickt ist, während der hintere Teil aus schlichtem Samt besteht. Das Profil zeigt auch gut die zwei getrennten Wülste.
Ein solcher Effekt wäre schwieriger zu erzielen, wenn man den Haubenrand im Oberstoff aus einem Stück machte (wie im o.g. Heftchen), und leichter, wenn man ihn aus zwei Teilen machte (wie im Kurs). Bei einigen meiner erhaltenen Riegelhauben hat der vordere Teil der Haubenrandes einen anderen Oberstoff als der hintere, was die zweiteilige Konstruktionsmethode noch plausibler macht. In beiden Bildbeispielen (unten, obere Reihe) ist der vordere Haubenrand mit einfarbig hellem Stoff belegt, der von einem Gitter aus Metallfäden überspannt wird, und der hintere Haubenrand mit einem hellen Stoff, in den Metallfäden eingewebt sind. Außerdem erklärt der zweiteilige Oberstoff-Schnitt, warum alle Hauben in meiner Sammlung von innen her gesehen eine Reihe von Leinengarn-Stichen entlang der Mitte des Haubenrandes aufweisen (untere Reihe) - verdächtigerweise paßt die Garnfarbe jeweils zur Farbe des Oberstoffs (das unten links ist eine schwarze Haube, unten rechts eine silberne), d.h. diese Naht soll von außen her nicht zu sehen sein. Was für eine Naht sollte das sein, wenn nicht eine, die ein zweites (Ober-)Stoffteil befestigt?
Daher habe ich meine Originalhauben mit der Prämisse ausgemessen, daß der Haubenrand im Oberstoff (aber nur da!) zweiteilig sei, und daraus den Schnitt entwickelt. Als Vorlage diente schließlich die schwarze Haube, die oben links zu sehen ist, weil hier die Grenzen zwischen den Schnitteilen besonders leicht zu erkennen sind. Laut Etikett stammt sie aus der Werkstatt von Nanette Seitz, vormals Glogger, in Augsburg. Das Ergebnis der Vermessung stimmt weitgehend mit dem Schnitt aus dem VHS-Kurs überein, nur daß meine Haube ein wenig größer ist3.
Gegen den Schnitt aus dem Heftchen spricht auch, daß es keine Schnitteile für die drei Querstreifen und den Riegel auf der Schleife gibt: Jene Anleitung arbeitet mit gewebten Borten, was fürs 18. Jh. korrekt wäre, aber im 19. Jh. wurden definitv gesondert bestickte Streifen aufgesetzt.
Der folgende Schnitt enthält keine Nahtzugaben. Jegliche über Pappe ausgeführte Stickerei sollte ca. 5 mm Abstand von der Kante des Schnitteils haben, da es sich dort sehr stark biegt. Die Bilder sind durch Anklicken vergrößerbar. Sie wurden auf 50% der Originalgröße verkleinert, aber ich kann nicht dafür garantieren, daß eine Vergrößerung auf 200% zum originalgroßen Schnitt führt. Teilweise ist noch ein Raster sichtbar, das von einem Papier mit 5mm-Karo herrührt. Falls selbiges auf dem Ausdruck ebenfalls 5mm groß ist, wird der Ausdruck wohl originalgroß sein. Falls nicht, kann der Schnitt nach der Koordinatenmethode vergrößert werden.
Da ich den Schnitt nur abgemessen, aber noch nicht ausprobiert habe, solltest Du ein Probeteil aus Pappe zuschneiden, um sicherzugehen, daß die Kantenlängen zusammenpassen. (Falls sie das nicht tun, würde ich mich über Feedback freuen.) Die Futter- bzw. Oberstoff-Teile kann und sollte man mit entsprechend viel Zugabe ausschneiden, aber erst, wenn die Pappteile angepaßt sind, kann man auch wissen, wieviel Fläche man besticken kann.
Die linke senkrechte Kante ist jeweils der Stoffbruch für die nur halb dargestellten Schnitteile.
Die fertig bestickten Stoffteile werden später geleimt, wodurch sie meist ein wenig schrumpfen. Das macht sich für gewöhnlich nur der Länge bemerkbar, v.a. beim Haubenrand, in geringerem Maß bei der Länge der Schleife und der Bänder. Gib jedem Ende 2 cm Sicherheitszugabe, zusätzlich zu den 2 cm, mit denen Oberstoff und Futter sowieso ausgeschnitten werden.
1) herausgegeben vom Bayerischen Landesverein für Trachtnpflege
e.V., ohne Jahr, via Trachtenberatung
für den Bezirk Schwaben
2) Rettenbacher, Franziska, Karl und Georg R. Goldstickerei. Ein Bilder-
und Werkbuch. II - Riegelhauben, Kranl, Taschen und Schmuck. GuTverlag,
2005
3) Die Dame, die die Kurse leitet und den Schnitt nach eigenen Angaben ebenfalls
von erhaltenen Hauben abgenommen hat, bietet immer wieder mal Kurse an der Münchner
Volkshochschule an, die aber mangels Interesse selten zustandekommen. Sie ist
aber bereit, auch außerhalb der VHS Kurse anzubieten, für ca. 45
€ pro Stunde (Stand ca. 2008). Vielleicht kann die VHS einen Kontakt vermitteln.