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"Haube heisset überhaupt derjenige Aufsatz und Zierrath,
womit sich das weibliche Geschlechte das Haupt bedecket und bekleidet:
sie wird nach ieder Landes-Art gebräuchlichen Moden auf vielerley
façon gesteckt und geknüpffet..." (Frauenzimmer-Lexicon, 1715)
Entgegen dem herrschenden Klischee ist die hauptsächliche Kopfbedeckung der Frau des 18. Jahrhunderts nicht die Perücke, sondern die Haube. Für die bürgerliche Frau war es selbstverständlich, eine Haube zu tragen, schon allein aus praktischen Gründen: Sie schützte das Haar vor dem Ruß des Kochfeuers und der Kerzen, vor Staub und sonstigem Schmutz. Haare waschen war nun mal nicht gar so einfach wie heute, schon gar nicht im Winter. Aber auch in Adelskreisen waren sie alltäglich, denn sie waren modische Accessoires und obendrein es "gehörte sich so". Selbst auf Bällen wurden sie getragen, wenn auch nicht von allen.
Leider ist die Quellenlage ziemlich mies, weil kaum Hauben aus der Zeit erhalten sind. Auf Bildern sieht man Personen meist von vorn oder nur ganz klein, so daß man bestenfalls erahnen kann, wie die Haube aussieht. Sicher ist: Es ist nicht damit getan, einen Kreis rundherum einzureihen und eine Rüsche dranzusetzen. Das ergibt die Sorte Haube, die mit der größten Wahrscheinlichkeit falsch ist.
Hin und wieder kommt es zu Diskussionen, ob Häubchen auch andere Farben als Weiß haben und ob sie bestickt sein dürfen. Meine Antwort ist: Jein. Mit Weiß ist man auf dem sicheren Dampfer. Andere Farben und farbige Stickereien kenne ich bisher ausschließlich aus dem Bereich der bürgerlichen und bäuerlichen Kleidung, aber diese Hauben waren regional z.T. sehr verschieden. Man sollte also die Finger von ihnen lassen oder sich vorher genau überlegen, ob man sich regional festlegen will und auf welche Region, und dann herausfinden, wie die Hauben dort aussahen. Frau Bögner hier rechts z.B. trägt eine goldbestickte Haube, die so oder ähnlich in großen Teilen Süddeutschlands verbreitet war, aber eben nur dort.
Also bleiben wir beim unverfänglichen Weiß. Das beste und häufigste Material war feines, gebleichtes Leinen, aber schon im Frauenzimmer-Lexicon wird auch Baumwolle als Haubenmaterial erwähnt - also Batist. Die Rüschen außenherum wurden aus demselben Stoff wie die Haube gemacht, aus noch feinerem Stoff, oder aus Spitzen. Manchmal wurde die ganze Haube aus Spitze gemacht, aber das kann man heute nicht mehr nachmachen - es sei denn, man ist ein Klöppelgenie mit Zugang zu sehr, sehr feinem Leinengarn. Auf jeden Fall waren Hauben aus Spitze den reicheren vorbehalten.
Es gibt so viele verschiedene Varianten, daß man ein Buch darüber schreiben könnte, wenn es nur etwas mehr Material zu jeder Form gäbe - leider sieht man eine Form meist nur auf genau einem Bild, an genau einer Porzellanfigur, und das war's. Es lassen sich aber drei Hauptformen unterscheiden:
Typ 1, 2 und 3 verhalten sich zueinander wie Strandkleid zu Badeanzug zu Bikini, wenn man Wohlanständigkeit (d.h. die damalige Auffassung derselben) als Maß nimmt. Naja, der Vergleich hinkt ein wenig, aber mir fiel gerade nichts besseres ein: Tendenziell beckt jede dieser Formen weniger Kopf als die vorige und ist damit weniger praktisch, wenn man den Aspekt des Schutzes vor Schmutz bedenkt. Damit ist eine kleine Haube tendenziell nur noch ein Mode-Accessoire, d.h. frivoler, verspielter, modischer. Die erste und zweite Form sind je nach Material (feinerer oder gröberer Stoff, Spitzen-, Stoff- oder gar keine Rüschen), Größe und Auszier für alle sozialen Schichten geeignet; die dritte eher für oberes Bürgertum aufwärts. Faustregel: Je kleiner die Haube, desto "gehobener", je größer, desto bürgerlicher. Dabei gibt es Überschneidungen: Die Sonntagshaube einer Bäuerin ist die Alltagshaube einer Bürgerin, die Sonntagshaube einer Bürgerin die Alltagshaube einer Adligen. Und wie bei der Badekleidung spielt das Alter der Trägerin und ihr Anstandsempfinden mit hinein.
Einen regelrechten Schnitt kann und will ich nicht anbieten, eben weil es so viele verschiedene Varianten gibt, sondern lieber das Prinzip erklären. Es ist denkbar einfach.
Hauben, die den Kopf regelrecht umschließen sollen, müssen fast zwangsläufig vom Typ 1 sein. Typ 2 sitzt eher auf dem Ober- oder Hinterkopf und Typ 3 per Definition sowieso.
Der Haubenboden hat die Form eines Halbkreises oder halben Ovals. Er kann auch nach unten hin schmaler werden, also sich der Form eines Ovals annähern, von dem man nicht ganz die Hälfte abgeschnitten hat. Der Haubenboden wird ein wenig eingereiht bzw. in kleine Fältchen gelegt und so an den (glatten) Rand gesetzt. Er muß also so groß sein, daß er nicht nur geradeso den Hinterkopf bedeckt. Bei Halbkreisformen würde ich sagen, 25-30 cm breit und 20-25 cm hoch. Der Rand ist meist so lang, daß er von Ohr zu Ohr reicht, und 4-15 cm breit - je nachdem, wie sehr die Haube den Kopf umschließen soll. Jedenfalls muß der eingereihte runde Teil des Haubenbodens so lang sein wie der Rand. Nach vorn hin kann der Rand noch Spitzen angesetzt haben, die die Ohren bedecken. (s.a. Frau Bögners Goldhaube ganz oben rechts).
Bei Hauben vom Typ 2 ersetzt die Rüsche den Rand. Die Rüsche wird mehr oder weniger eingereiht; normalerweise weit mehr als der Haubenboden. Dafür ist die Rüsche länger als die runde Kante des Haubenbodens, d.h. sie hängt zum Teil auf beiden Seiten als sog. Barben (von italienisch barba=Bart) herunter, wie im Bild der Spitzenhaube oben (Mitte). Das sieht bei langen Spitzenbarben besonders elegant aus. Bei einfachen Frauen sieht man oft kürzere, aus dem Stoff der Haube gefertigte Barben, die oben auf der Haube festgesteckt sind. Ich kann mich nicht erinnern, eine Haube vom Typ 2 gesehen zu haben, die keine Barben hatte, aber ich schließe nicht aus, daß es solche gab. Für die Länge der Rüsche würde ich 50-70 cm veranschlagen für den Teil, der an den Haubenboden angesetzt wird, plus 20-50 cm pro Seite als herabhängenden Teil.
Typ 1: Die gerade Kante des Haubenbodens wird mit einem Tunnel ausgestattet. An jedem Ende werden Zugbändchen angenäht und durch den Tunnel geführt - in der Mitte überkreuzen sie sich. Wenn man die Haube aufsetzt, zieht man sie an (dadurch rundet sich die Form des Haubenbodens ein wenig mehr, so daß sie sich noch besser um den Kopf schmiegt) und verknotet sie oben auf dem Kopf bzw. vorn über der Stirn. Das hält die Haube auf dem Kopf. Dies gilt wohlgemerkt nicht für die steifen Sonderformen von Typ 1 wie z.b. die Riegelhaube.
Typ 2: Auch hier ein Tunnel an der geraden Kante, aber die Zugbändchen treten (zumindest ist das meine derzeitige Theorie) in dessen Mitte nach außen und dienen nur dazu, den Haubenboden etwas zu runden. Dieser Typ ist zu klein, als daß er wie Typ 1 festgebunden werden könnte - hier helfen nur Nadeln.
Typ 3 schließlich ist sehr schwer zu erforschen, da er so klein ist und oben am Hinterkopf sitzt, so daß man ihn in Portraits nicht sieht. Bei den wenigen Bildern, wo man solche Häubchen von der Seite oder hinten sieht, kann man eigentlich nur Häufchen von Spitze erkennen. Die beste mir bekannte Quelle - die einzig brauchbare - ist das Bild der Modistin auf Kundenbesuch, das Boucher zugeschrieben wird und in der Wallace Collection in London hängen soll, wo ich es aber nicht gesehen habe. Wenn Du dort mal hinkommst und es findest: Bitte, bitte mach ein Foto davon oder noch besser eine Skizze, falls Du das kannst! Das Bild oben ist der größte Ausschnitt davon, dessen ich habhaft werden konnte. Schauen wir mal mit der Lupe hin... Es handelt sich um ein flaches gleichschenkliges Dreieck mit abgerundeten Spitzen; ein wenig gewölbt, um sich dem Kopf anzuschmiegen. Das bedeutet, daß es eine feste Form (wahrscheinlich aus Pappe) sein muß, die entsprechend geformt wurde. Und daß diese Haube nicht auf einen Dutt gesetzt wurde, denn dazu ist die Wölbung wieder zu klein: Sie folgt der Form der Schädeldecke. Auf allen Seiten kann man Spitzen erkennen, die den Rand des Dreiecks überragen. Daraus schließe ich, daß ein auf Schädel geformtes Pappteil nach Lust und Laune der Modistin mit Spitzen und Bändern belegt wurde, und das ist alles, was Typ 3 ausmacht.
Bergère aus Raphia um 1760 (c) Metropolitan Museum, Inv. 1984.140 |
Zu diesem Thema kenne ich keine zeitgenössischen Quellen, also kann ich nur vermuten. Große, den Kopf umschließende Hauben des Typs 1 sitzen außer bei Wind ohne extra Befestigung recht sicher. Bei Münchner Riegelhauben wurden (im 19. Jh.) Nadeln mit zwei Spitzen und einem Zierkopf durch die Randspitze bis ins Haar gesteckt. Die Lösung vermute ich irgendwo dawischen. Meine eigenen Hauben haben entweder kleine Ösen am Rand, durch die ich Haarnadeln oder Riegelhaubennadeln einfädle, oder (und das ist bei meinen dünnen Haaren, sie sich nur zu einem kleinen Dutt eignen, die praktischere Methode) ich jage möglichst große Stecknadeln mit Stahlkopf (nie Glaskopf!) oder Riegelhaubennadeln mitten durch den Haubenboden in den Dutt.
Hüte trugen Frauen schon auch, allerdings im Gegensatz zu Hauben nur im Freien und soviel wie immer über einer Haube. Bis um 1780 herum waren das fast ausschließlich flachgupfige, breitkrempige Strohhüte, bekannt als Bergère. Andere Hutformen (z.B. die Vorläuferformen des Tiroler Huts und des Miesbachers) waren regional begrenzt und sollten daher mit derselben Vorsicht behandelt werden wie die regionalspezifischen Hauben.