Herstellung eines Manteau

Teil 4: Drapieren

 

Obwohl ich zuvor einen Schnitt vorgestellt habe, werde ich im Folgenden so tun, als ob es keinen Schnitt gäbe. Das liegt v.a. daran, daß ich den Schnitt überhaupt erst durch drapieren ohne Vorlage gewonnen habe. Es war übrigens auch für mich das erste Mal, daß ich völlig frei drapiert habe. Jene, die sich bisher noch nicht ans Drapieren herantrauen, gewinnen vielleicht Mut, wenn sie die folgende Anleitung einmal mit Billigstoff nachvollzogen haben und festgestellt, daß es gar nicht so viel Schrecken bereithält.

Dafür brauchen wir erstmal eine passende Schneiderpuppe. Entweder formst Du dir eine nach dieser Anleitung oder Du überziehst eine normale, auf nicht ganz Deine Größe eingestellte Puppe mit einem Korsett. Notfalls kannst Du auch das auf Dich angepaßte Futter auf dem Boden auslegen (am besten mit offener Schulternaht, damit es glatt aufliegen kann) und den Oberstoff so drapieren, daß er im Endeffekt glatt auf dem Futter aufliegt. Dadurch werden v.a. um die Brustwölbungen herum ein paar Ungenauigkeiten herauskommen, die Du durch entsprechend häufigeres Anprobieren ausgleichen müßtest.

Zieh der Puppe das Futter an und achte drauf, daß es richtig sitzt. Nimm ein Ende des Stoffes, markiere die Mitte (gewöhnlich der Stoffbruch) und pinne sie auf die hintere Mitte (HM) des Futters auf der Höhe, auf der später der hintere Halsausschnitt sitzen wird. Geh von dort aus senkrecht hinunter und stecke noch einmal auf Taillenhöhe. Lege nun die Falten, in der Mitte von oben beginnend: Kneife etwa 4-6 cm von der HM etwas Stoff ab und mache von dort aus senkrecht einen Kniff. Den ziehst Du zur HM und pinnst ihn dort fest, bis runter zur Taille. Der erste Faltenbruch schaut also zur HM hin; alle anderen schauen nach außen.

Markiere den nächsten Faltenbruch an der Oberkante gut eine Handbreit (Daumen mitgerechnet) ab der hinteren Mitte und auf Taillenhöhe ca. drei Fingerbreit ab der HM. Zeichne mit einem Lineal und einem "magischen" Stift die Verbindungslinie, also den Verlauf des Faltenbruchs.

Tip: Wenn Du keine Lust hast, den Stoff von der Puppe zu nehmen, nur um mit einem Lineal operieren zu können: Zwicke die Markierungen zwischen Daumen und Zeigefinger je einer Hand ein und ziehe sie etwas auseinander. Dadurch legt sich die Falte fast automatisch gerade ein, und Du mußt nur daran entlangzwicken, um den Bruch zu markieren. Zieh aber nicht zu fest: Dadurch, daß die Falte schräg zum Fadenlauf liegt, wird sie bei zu starkem Dehnen krumm, und der Stoff könnte sich verziehen. Das Prinzip funktioniert bei allen Falten mit geradem Bruch, aber leider nur bei Stoffen, die eine gezwickte Markierung zumindest für kurze Zeit halten können - lange genug, um eine Hand freizukriegen, einen Anzeichenstift zu greifen und daran entlangzumalen.

Lege den Bruch ein, festige den Knick etwas mit den Fingernägeln (so, wie Du es beim Papierfalten machen würdest), und schiebe nun so viel Stoff darunter, daß die Falte oben ca. 2 cm tief ist und unten so tief, wie es gerade geht, also bis zur HM. Falls dadurch die Querkante am Hals völlig schief würde, mußt Du die Tiefe etwas variieren, bis sie wieder weitgehend gerade ist. Hundertprozentig gerade muß die Kante nicht sein und kann sie eigentlich auch nicht. Stecke die Falte zuerst mal nur an drei Stellen fest. Bei schmalem Rücken mußt Du möglicherweise den Faltenbruch insgesamt weiter nach innen rücken, um die Proportion zu wahren.

 

Bild links (durch anklicken vergrößrbar): Einlegen der Rückenfalten in vier Schritten mit jeweils angedeuteten Steckpunkten.
Im ersten Bild ist die HM markiert sowie der künftige Bruch der ersten Falte, der auf die HM gelegt wird. In Bild 2 der künftige Bruch der zweiten Falte, in Bild 3 der künftige Bruch der 3. Falte und, gepunktet, der ungefähre Verlauf des unsichtbaren inneren Faltenbruchs der zweiten Falte. Im vierten Bild beide Falten fertig eingelegt und links die Webkante, in die demnächst der Armausschnitt geschnitten wird.

Der Faltenbruch der dritten Falte sollte an der Oberkante da liegen, wo nachher die Ärmelnaht sein wird - idealerweise genau auf der Ärmelnaht oder noch eine Kleinigkeit weiter außen, so daß die Naht verdeckt wird. Wenn die dritte Falte an dieser Stelle ankommt, ohne mehr als 3 cm unter der zweiten Falte hervorzuschauen, reichen zwei nach außen schauende Falten. Ansonsten wäre es anzuraten, eine weitere Falte einzulegen, einen Zwilling der dritten Falte. Beide sollten ca. 2 cm unter der vorigen hervorschauen und ca. 2 cm tief sein. Lege sie zunächst mal so ein und pinne sie fest. Zieh nun den restlichen, freihängenden Stoff waagerecht nach außen und um das Armloch herum. Zieh nicht zu fest - nur eben so, daß der Stoff glatt aufliegt. Stecke ihn an der Schulter fest. Bestimme die fadengerade Senkrechte von dort aus und stecke sie entlang der Seitennaht des Futters fest. D.h. die Seitennaht soll ebenso fadengerade sein wie die HM, oder zumindest ungefähr. Markiere Armloch und Seitennaht und schneide sie aus. Laß v.a. in der Seitennaht ordentlich Zugabe (3-4cm), nur zur Sicherheit. Ungefähr 3-4 cm oberhalb des Taillenknicks hörst Du auf, senkrecht zu schneiden, und schneidest einen Knick im rechten Winkel zur Webkante hin.

Nun wird des Rückenteil in der Taille sicher nicht glatt anliegen. Um den überflüssigen Stoff loszuwerden, muß die dritte Falte (und die eventuelle vierte) auf Taillenhöhe nochmal auf und so lange tiefer gemacht werden, bis das Rückenteil glatt anliegt. Es zählt nur, daß die Falten von außen betrachtet parallel zur ersten liegen; wie tief sie sind, ist egal. Die ganze Prozedur muß für die andere Rückenhälfte natürlich wiederholt werden.

Nun zum Vorderteil. Man kann damit anfangen, die Webkante mit großer Zugabe entlang der Seitennaht des Futters anzupinnen, und sich von dort zur Vorderkante vorarbeiten - oder andersrum. Da ich überhaupt noch nicht wußte, wieviel Stoff ich brauchen würde, fing ich in der vorderen Mitte (VM) an. Stecke zuerst die Oberkante ca. 3-4 cm unterhalb der Oberkante des Rückenteils fest und zieh das Vorderteil von dort an der Kante des Futters entlang abwärts, um festzustellen, auf welcher Höhe die größte Brustweite liegt. Von jenem Punkt abwärts wird die Webkante gleichmäßig breit nach außen weggefaltet, von dort aufwärts hingegen wird sie schräg zur Seite hin weggefaltet, um die gewünschte Breite des Halsausschnitts zu erreichen. Damit ist die Vorderkante bestimmt, die man, von einer Versäuberungszugabe abgesehen, abschneiden kann. Ich lasse sie sicherheitshalber dran, man weiß ja nie.

Das ist aber noch nicht die endgültige Vorderkante: Obige Vorderkante wird nach außen gefaltet, und zwar so, daß sie auf Schulter- und Taillenhöhe ca. 3-4 cm breit ist, auf dem Höhepunkt der Brust aber ca. 6-7 cm. Bei einer Française wären das die Robings. Nennen wir es Kragen. Nun kommen die Falten dran. Wie beim Rückenteil kann man zwei oder drei einlegen: Beides gab es. Anders als beim Rückenteil verlaufen die Falten aber nicht gerade, sondern ungefähr parallel zur Vorderkante, die ja ab der Brust mehr oder weniger stark seitwärts wegknickt. Geknickte Falten, die trotzdem glatt aufliegen sollen, erfordern einiges an Geduld und Gefrickel, damit sie nicht wegstehen oder der Faltenbruch Diagonalfältchen entwickelt. Immerhin müssen die Falten nicht genau parallel zur Vorderkante liegen, sondern eher asymptotisch, d.h. der Knick auf Brusthöhe wird zu einer Kurve abgeglättet. Die zweite Falte darf dann noch etwas gerader liegen als die erste und die dritte, so vorhanden, ist nur noch wenig gebogen.

Wie beim Rückenteil sollen die Falten 2-3 cm unter dem Kragen bzw. der vorigen herausschauen, und der äußerste Faltenbruch auf der Ärmelnaht liegen. Der jeweils äußerste Faltenbruch in Vorder- und Rückenteil sollten also genau aufeinandertreffen. Am besten fängst Du mit dem Einlegen der Falten auf Brusthöhe an, ca. 2 cm auswärts des Kragens: Dort sollten sie etwa 1-2 cm tief sein. Steck das fest. Zieh den Faltenbruch parallel zur Vorderkante nach unten und mach die Falte dabei ein wenig tiefer. Steck sie in Taillenhöhe fest. Dann gehst Du von der Brust an aufwärts.

Da der Teil zwischen Hals und Schulter relativ schmal ist, müssen die Faltenbrüche nach oben hin dichter zusammenrücken - bei extrem breiten Ausschnitten sogar so dicht, daß die Falten fast direkt übereinanderliegen. Gleichzeitig muß umso mehr Stoff in die Falten gesteckt werden, je schmaler der Schulterteil ist. Teile die Strecke zwischen Hals und Schulter also im Geiste so auf, daß zwei bzw. drei Falten so darauf verteilt werden können, daß sie immer gleich viel unter der jeweils vorigen hervorschauen. Entsprechend legst Du die erste Falte ein. Mach sie oben ordentlich tief und stecke sie fest. Nun liegt die fertige Falte wahrscheinlich noch recht krumm, weil sie auf Brusthöhe noch zu dicht am Kragen liegt: Der Knick wird ja, wie gesagt, etwas geglättet. Zieh also den Faltenbruch auf Brusthöhe etwas nach außen, bis die Falte in etwa glatt liegt. Es macht nichts, wenn sie ein wenig aufsteht, solang sie nur keine Quer- oder Diagonalfalten wirft. Verfahre mit der nächsten Falte ebenso. Stecke jede Falte zunächst nur an Schulter, Brust und Taille fest.

Ziehe nun, wie zuvor im Rückenteil, den restlichen Stoff glatt um das Armloch herum, stecke ihn fest, bestimme die Fadengerade und stecke diese an der Seitennaht fest. Und, wie gehabt: Armloch und Seitennaht anzeichnen, mit entsprechender Zugabe abschneiden, und 3-4 cm oberhalb der Taille im rechten Winkel nach außen schneiden. Aber Vorsicht! Das Vorderteil ist schmaler als das Rückenteil, also schneide die Waagerechte nicht gleich bis rüber zur anderen Webkante. Wenn Dein Stoff 150 cm breit ist, kriegst Du bestimmt das zweite Vorderteil aus der Stoffbreite raus. Der waagerechte Schnitt darf also nur bis zur Stoffmitte gehen. Wenn er 15 cm lang ist, reicht das.

Und nun muß, wie im Rückenteil, der verbleibende Stoff noch einmal glattgezogen werden, indem Du überflüssige Weite in die Falten stopfst. Wenn alles glatt anliegt, steck alle Falten entlang der Faltenbrüche relativ dicht mit Stecknadeln fest und achte drauf, daß Du das Futter dabei nicht mitnimmst.

Teil 5: Anprobe