Der Barock setzt das Interesse der Renaissance für die klassische Antike fort, gibt ihm aber eine neue Wendung. Hatte die Renaissance noch ein Jahrhundert gebraucht, um sich in ganz Europa durchzusetzen, so breitete sich der barocke Stil binnen weniger Dekaden aus.
Die Region Flandern und Niederlande verstärkte ihren Einfluß auf die Kunst durch Rubens, Rembrandt, van Dijck, Buytewech, Hals, Vermeer und viele andere. Für Kostümforscher ist im 17. Jh. nirgendwo anders so viel zu holen wie dort. Der Grund ist wahrscheinlich die andere soziale und wirtschaftliche Struktur: Die Region war durch Fernhandel reich geworden; dazu kam der calvinistische Glaube, daß Gottes Segen sich in Form finanziellen Erfolges ausdrücke. So stand an der Spitze der Gesellschaft nicht der Adel, sondern Händler und andere reiche Bürger, die stolz darauf waren, ihr Geld selbst verdient zu haben. Sie waren es, die die Kunst finanzierten, und sie waren nicht an antiken Göttinnen und Helden interessiert, sondern am wahren Leben, wie es sich für Geschäftsleute gehört, die mit beiden Beinen im Leben stehen.
In der flämisch-niederländischen Kunst stehen daher Familienbildnisse sowie Szenen häuslicher und ländlicher Arbeit im Vordergrund. Außerhalb dieser besonders "ernsthaften" Kultur ist der Barock aber auch eine Epoche, die sich an spielerischer Heiterkeit erfreut (die "Heitere Gesellschaft" ist ein immer wiederkehrendes Thema), was sich in der Architektur an den Ornamenten zeigt, in der Mode an vielfältigen Garnituren.
Im Konstrast dazu begegnet man auch immer wieder dem Memento Mori, Totentänzen und anderen Mahnungen an Sterblichkeit und Vergänglichkeit. Vielleicht muß das so sein, daß Lebensfreude ein Gegengewicht gesetzt bekommt. Oder war, anders gewendet, die Angst vor dem Tod zuerst da, und all die Heiterkeit ein Ausdruck von "Genießen wir das Leben, denn morgen könnten wir schon tot sein"? Haben die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges solch ein Lebensgefühl hervorgerufen oder nur verstärkt? Immerhin hatten die betroffenen Gebiete ein Drittel, manche sogar zwei Drittel ihrer Bevölkerung an marodierende Soldaten, Krankheiten und Hunger verloren.
Was aber nun die Eignung der Kunst des 17. Jh. für Kostümstudien angeht, so ist die barocke Kunst sehr realistisch. Die Vorliebe für Szenen aus dem wahren Leben bringt und eine bisher unbekannte Fülle an Darstellungen von "normalen" Leuten: Handwerker, Bauern, Mägde. Man muß aber auch ein wenig mißtrauisch sein, denn diese sog. Genremalerei wurde mit der Zeit immer stärker formalisiert und romantisiert. Gleichzeitig lassen sich vor allem in Frankreich und England viele Adlige in Gewändern portraitieren, die von der Antike inspiriert bzw. regelrechte Verkleidungen sind, sowie in reiner Hauskleidung. Gegen Endes des 17. Jh. muß man also vor allem bei Portraits von Einzelpersonen vorsichtig sein.
Um 1680-90 tauchen in Frankreich Kupferstiche auf, die diverse Höflinge zeigen. Das sind nicht etwa Portraits, sondern die ersten Modekupfer. In der Art heutiger Klatschspalten konnte der Interessierte sehen, was die damaligen Promis zu gesellschaftlichen Anlässen trugen.