Im 15. Jh. wirkten Stilmerkmale des Mittelalters in der Mode wie in der Kunst fort. Die Renaissance hatte gerade in Italien begonnen und weitete sich langsam auf den Norden Europas aus ein Prozeß, der das ganze 15. Jh. lang dauerte. Neben den reichen Stadtstaaten Italiens übte Burgund den größten Einfluß aus. Der Rest Europas bestand hauptsächlich aus kleineren Fürstentümern, deren Herrscher zu wenig Macht und Geld hatten, um die Künste in großem Stil zu fördern - Künste, die die Mode jener Zeit hätten dokumentieren können.
Daher stammen die meisten Bildquellen jener Zeit aus Burgund bzw. Frankreich oder aus Flandern und sind stilistisch noch recht gotisch, oder aus Italien, also Frührenaissance. Die ergiebigsten Maler für die Kostümforschung sind van Eyck, Mamling und Fouquet für den Norden, da Vinci, Ghirlandaio und Botticelli für den Süden.
Gotische Kunst ist noch relativ formalisiert, nicht ganz der Natur folgend und hat noch etwas Probleme mit Perspektive und Proportion. Die Kunst dient meist der Religion (sprich: dem Christentum) und zeigt entsprechende Sujets. Das verleitet leicht dazu, mangels Bildern "aus dem richtigen Leben" biblische und Heiligendarstellungen für die Kostümforschung zu verwenden. Die Heiligen sind tatsächlich oft im Stil der Zeit gekleidet, aber die Ähnlichkeit ist oft nur oberflächlich und mit vielen Phantasieelementen gemischt. Will man die Kleidung nachmachen, muß man oft endecken, daß sie so, wie dargestellt, nicht "funktioniert". Heilige sind also nur in seltenen Ausnahmefällen als Vorbild geeignet. Anders ist es bei den Stiftern, die oft in die religiösen Bilder integriert sind: Das waren wirkliche Personen und sind entsprechend realistisch gekleidet, wenn auch vielleicht etwas reicher als im richtigen Leben, aus Gründen der Repräsentation.
Die Renaissance hingegen belebt die klassische Antike wieder, inklusive der Sujets: Göttinnen und Halbgötter, und manche davon sogar - o Schreck! - nackend. Wie die Antike legt die Renaissance Wert auf realistische Darstellung "nach der Natur", auf Proportion ("Goldener Schnitt") und Perspektive. Die Loslösung vom Religiösen macht sich auch darin bemerkbar, daß immer mehr Portraits auftauchen. Die Gesichter lassen individuelle Züge erkennen, die Körperhaltung wird natürlicher, der Faltenwurf der Kleidung realistischer.
Dadurch wird das 15. Jh. das erste, dessen Kunst wirklich für Kostümstudien geeignet ist, denn
Aber selbst den italienischen Renaissancemalern kann man nicht hundertprozentig trauen, da noch nicht bei allen Malern alle Formalisierung verschwunden ist. Bei Ghirlandaio z.B. haben die Figuren oft durchaus noch eine seltsame, unnatürliche Körperhaltung. Andere, wie da Vinci, haben überhaupt keinen Respekt vor der Kleidung und phantasieren gnadenlos etwas zusammen, wenn es ihrer künstlerischen Absicht dient. Man sollte also einerseits etwas über den Maler und dessen Eigenheiten wissen, andererseits schon eine Vorstellung haben, wie die Mode dann und dort aussah, damit man Schein und Sein auseinanderhalten kann.